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Erbschaft

Erbverzicht: Welche Regeln gelten, wenn man aufs Erbe verzichtet?

Geht es ums Erbe, kommt es zwischen den Generationen häufig zu Konflikten. © Quelle: asiseeit/gettyimages.de

Wer etwas zu vererben hat, kann zu Lebzeiten festlegen, wer was bekommen soll – in gewissem Rahmen. Den Angehörigen – Kindern, Ehegatten gegebe­nenfalls auch Eltern – steht ein Pflichtteil zu, der dem hälftigen Erbteil (als Bargeld­for­derung) entspricht. Doch auch der lässt sich umgehen: mit einem Erbverzicht. Die Deutsche Anwalt­auskunft hat darüber mit Prof. Andreas Frieser gesprochen, Rechts­anwalt für Erbrecht und Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Erbrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Er erklärt, was wichtig ist, wenn jemand nicht erben möchte oder soll, und welche Konsequenzen auf die (Nicht-)Erben zukommen.

Es kann ein Grundstück sein, eine Immobilie oder ein Unternehmen: Gibt es bei solchen Vermögens­werten mehrere Erben, kann das Streitig­keiten nach sich ziehen. Meist muss entweder ein Erbe die übrigen auszahlen oder das Unternehmen oder Grundstück muss verkauft werden. Eine weitere Möglichkeit: Ein Teil der Erben verzichtet.

Kein Erbverzicht ohne Notar

Ein Erbverzicht ist ein Vertrag, der vor dem Tod des Erblassers geschlossen wird. Dabei vereinbart er mit einem Teil der Erben, dass sie auf ihren Pflichtteil oder auf das komplette Erbe verzichten. In der Regel handeln die Partien dafür eine Entschä­digung aus. Ein Erbverzicht muss notariell beurkundet werden.

Beispiel Unterneh­mer­familie: Erbverzicht für den Fortbestand des Unternehmens

Am besten lässt sich der Erbverzicht an einem Beispiel erklären: Ein Unternehmer mit vier Kindern (Anna, Beate, Christian und Daniel) führt ein mittel­stän­disches Unternehmen. Nach der gesetz­lichen Erbfolge würden alle vier Kinder zu gleichen Teilen erben. Soll Beate Erbin werden und ihren Geschwistern den Pflichtteil bezahlen müssen, müsste das Unternehmen möglicherweise verkauft werden.

Deshalb kann der Erblasser mit den Kindern vereinbaren, dass drei von ihnen auf ihren Pflichtteil oder ihr komplettes Erbe verzichten, und dafür eine Entschä­digung erhalten. Diese sollte sich daran bemessen, wie viel das Unternehmen wert ist beziehungsweise künftig voraus­sichtlich wert sein wird.

Verzicht nur auf den Pflichtteil oder auf komplettes Erbe möglich

„Wird ein Pflicht­teils­verzicht ausgehandelt, bedeutet das Planungs­si­cherheit für den Erblasser und für den Erben, der nicht verzichtet“, erklärt Rechts­anwalt Frieser. Der Erbe werde dann nicht mit Pflicht­teils­an­sprüchen konfrontiert, die er womöglich nicht leisten kann.

Dabei ist zwischen einem Pflicht­teils­verzicht und einem kompletten Erbverzicht zu unterscheiden. Verzichten Erben nur auf ihren Pflichtteil, können sie im Testament trotzdem bedacht werden – allerdings könnte der Erblasser dann entscheiden, wer wieviel erbt und das Unternehmen oder Grundstück müsste nicht verkauft werden. Möglich ist auch, dass die übrigen Kinder komplett auf ihr Erbe verzichten.

Was sinnvoller ist, kommt auf den Einzelfall an. In Praxis komme es häufiger vor, dass Erben nur auf ihren Pflichtteil verzichten, erklärt Prof. Frieser. Das kann Vorteile haben, wenn eines der Kinder keinen Erbver­zichts­vertrag abschließen möchte.

Angenommen Anna und Daniel haben einen Verzicht vereinbart, damit Beate den Betrieb übernehmen kann. Christian ist allerdings nicht einver­standen und tut nichts dergleichen. Verzichten Anna und Daniel auf ihr komplettes Erbe („Erbverzicht“), zählen sie bei der Berechnung der Pflicht­teilsquote nicht mit. Christian bekäme einen entsprechend hohen Pflichtteil. Verzichten Anna und Daniel nur auf ihren Pflichtteil, bleiben sie Zählkan­didaten, die Pflicht­teilsquote von Christian beträgt nur 1/8.

Kinder enterben: Pflicht­teils­entzug nur unter strengen Voraus­set­zungen möglich

Könnte der Erblasser ein Kind, das einem Erbverzicht nicht zustimmen will oder aus anderen Gründen nicht enterben? So einfach ist das nicht. Im Testament lässt sich natürlich verfügen, dass bestimmte Angehörige über den Pflichtteil hinaus nichts bekommen sollen.

Den Pflichtteil kann man aber nur unter sehr strengen Bedingungen entziehen. Sie sind unter §2333 BGB (Bürger­liches Gesetzbuch) aufgeführt. Dazu zählt der Fall, wenn der Erbe dem Erblasser nach dem Leben trachtet oder ein schweres Verbrechen gegen ihn begeht.

Wenn eine dieser Bedingungen vorliegt, muss der Pflicht­teils­entzug im Testament ausdrücklich und nachvoll­ziehbar dargestellt und begründet sein. Wer Vorwürfe erhebt, muss diese beweisen. Und das möglichst präzise, zum Beispiel mit einer Kopie der Strafanzeige. Wichtig ebenfalls: Ein Pflicht­teils­entzug kann sich nicht nur auf die Kinder beziehen, sondern auch auf ihren Nachkommen.

„Immer wieder kommt es vor, dass Eltern ein Kind vollständig enterben wollen, über das sie sich ärgern, beispielsweise weil es sich von ihnen abgewandt hat“, sagt der Rechts­anwalt aus Bonn. Das sei aber nicht ohne weiteres möglich.

Erbverzicht: Einigung größte Heraus­for­derung

Der Rechts­anwalt von der Arbeits­ge­mein­schaft Erbrecht sieht in der Einigung im Vorfeld eine der größten Heraus­for­de­rungen beim Thema Erbverzicht. Das Thema ist emotional sehr aufgeladen und für alle Beteiligten schwierig. Diese Verhand­lungen könnten leicht scheitern – zum Beispiel wenn einige Erben sich nicht gerecht behandelt fühlen oder die Familie sich nicht einig darüber ist, wie viel zum Beispiel das Unternehmen wert ist. Deswegen ist ein Erbverzicht nicht immer das Mittel der Wahl, wenn es um ein zu vererbendes Unternehmen geht.

Verhandeln über Erbverzicht: Besser mit Rechts­anwalt

Braucht man einen Anwalt, wenn man mit den anderen Famili­en­mit­gliedern über einen Erbverzicht verhandelt? „Solche Verhand­lungen in der Familie finden in aller Regel mit anwalt­licher Begleitung statt“, sagt Rechts­anwalt Frieser. Der Anwalt fungiere dann als Puffer zwischen den Parteien. Teilweise haben auch alle Beteiligten einen Rechts­anwalt an ihrer Seite. Dabei geht es vor allem darum, wie die Gegenleistung ausgestaltet wird.

Erbverzicht anfechten: Wie stehen die Chancen?

Was passiert, wenn man auf sein Erbe verzichtet und sich später heraus­stellt, dass der Pflichtteil viel höher ausgefallen wäre als die Entschä­digung ausgefallen ist? Dann kann man einen Erbverzicht anfechten – theoretisch. Erfolgreich ist das allerdings nur in wenigen Fällen. „Die Rechtsprechung ist in dieser Hinsicht zugeknöpft“, sagt der Erbrechts­experte.

In einem aktuellen Fall gelang es einem Mann, einen Erbver­zichts­vertrag erfolgreich anzufechten, den er kurz nach seinem 18. Geburtstag mit seinem Vater ausgehandelt hatte. Der Vater hatte sich kurz zuvor einen Sportwagen gekauft und mit seinem Sohn vereinbart, dass dieser den Wagen an seinem 25. Geburtstag bekommen sollte – voraus­gesetzt, er verzichtet auf komplett auf seine Erbschaft und schließt seine Berufs­aus­bildung mit „sehr gut“ ab. Der Mann bereute den Vertrags­schluss anschließend und klagte auf die Feststellung, dass der Erbver­zichts­vertrag sitten­widrig und damit nichtig sei. Das Oberlan­des­gericht Hamm gab ihm Recht (Urteil vom 08. November 2016, AZ 10 U 36/15).

In einem weiteren berühmten Fall hat es funktioniert. Zwei Kinder des Münchner Gastronomen Karl-Heinz Wildmoser hatten mit ihrem Vater einen Erbver­zichts­vertrag geschlossen und je knapp 20.000 DM Entschä­digung erhalten. Da das Vermögen Wildmosers deutlich höher war, klagten sie darauf, dass der Vertrag sitten­widrig sei. Und bekamen Recht.

Erbver­zichts­vertrag: Anwaltliche Beratung sinnvoll

Das sind allerdings Einzelfälle. „Ein Erbverzicht ist ein Risiko­ge­schäft“ resümiert Frieser. Wer mit dem Gedanken spielt, einen Pflicht­teils­verzicht oder Erbverzicht zu vereinbaren, sollte sich umfassend von seinem Rechts­anwalt für Erbrecht beraten lassen. Anwältinnen und Anwälte in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Anwaltssuche.

Datum
Aktualisiert am
24.01.2017
Autor
vhe
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Erbschaft Erbstreit Familie Geld Unternehmen

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