Dass es den Hebammen schlecht geht, ist nichts Neues. Seit Jahren marschieren die Geburtshelferinnen gegen ein System an, in dessen Nahrungskette sie am Ende stehen. Sie demonstrieren für höhere Gehälter und setzen sich für Alternativen zu hohen Haftpflichtversicherungsprämien ein, die sie nicht stemmen können.
Das Problem
Wer als Hebamme arbeiten will, braucht eine Haftpflichtversicherung. Das gilt sowohl für die Freiberuflichen als auch für die im Krankenhaus Festangestellten. Während die festangestellten Hebammen zumeist über ihre Arbeitgeber versichert sind, müssen die Freiberuflerinnen selbst für die Prämien aufkommen.
Die Haftpflichtprämie wiederum steigt mit dem Risiko, das versichert wird. Geburten zum Beispiel kalkulieren Statistiker als enormes Risiko mit wachsendem Potenzial. Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes stieg der Versicherungsbeitrag für freiberufliche Hebammen in den vergangenen zehn Jahren von 450 Euro jährlich auf 4.240 Euro aktuell.
„Die Versicherer dürfen auch um 60 Prozent anheben, wenn das kalkulatorisch notwendig ist“, sagt Arno Schubach. Der Rechtsanwalt für Versicherungsrecht ist Vorstandsmitglied im Deutschen Anwaltverein (DAV). Hebammen seien in der Pflicht, ihren Beruf so zu gestalten, dass er wirtschaftlich ist.
2014 wird es noch teurer für die freien Hebammen. 5.000 Euro sollen sie ab dem 1. Juli diesen Jahres zahlen. Ab Mitte 2015 wollen die Versicherer gar nicht mehr herhalten: die Nürnberger Versicherung hatte Anfang des Jahres angekündigt, Hebammen ab Mitte 2015 nicht mehr haftpflichtversichern zu wollen. Ihre Konkurrenz ist längst ausgestiegen. Eine Alternative hat sich noch nicht aufgetan.
Einkommen an der Existenzgrenze
Auch um ihren Verdienst streiten die Geburtshelferinnen: Begleiten freiberufliche Hebammen eine Frau derzeit zur Geburt ins Krankenhaus, verdienen sie damit 273 Euro. In den Nachtstunden erhöht sich dieser Betrag auf 327 Euro. Hausgeburten und solche in Geburtshäusern werden mit 550 bis 695 Euro bezahlt. Für einen Wochenbettbesuch werden einer Hebamme 31 Euro überwiesen. Ein Umsatz, von dem Hebammen nicht nur ihre Krankenversicherung und Altersvorsorge, Fortbildungen oder ihre Ausstattung bezahlen. Für die Haftpflichtversicherung haben sie dann immer noch nichts zurückgelegt. „Da kann man sich mal ausrechnen, wie viele Geburten begleitet werden müssen, nur um die Haftpflichtprämie allein zu stemmen“, schreibt Anja in ihrem Blog „von guten Eltern“ aus ihrer Perspektive als Hebamme und Mutter.
Dieser Milchmädchenrechnung sind sich auch angehende Hebammen bewusst. Luise ist eine von ihnen. Seit Oktober vergangenen Jahres wird sie zur Hebamme ausgebildet. „In der aktuellen Lage ist die Freiberuflichkeit für mich nicht machbar“, sagt sie. Unter besseren Bedingungen würde sie hingegen gerne frei arbeiten. So wie bislang. Luise hat bereits vor Ausbildungsbeginn als zertifizierte Stillberaterin gearbeitet – selbstständig organisiert. Sie weiß um die vielen Unsicherheiten, denen Frauen in Schwangerschaft, unter der Geburt und im Wochenbett begegnen und wie wichtig in dieser Situation eine Hebamme ist. Eine, die der werdenden Familie zur Seite steht und auf ihrem Wissen stützt.
"Die Art, wie wir mit diesem Beruf, mit Gebärenden und ihren Kindern umgehen, spiegelt wider, wie wichtig einer Gesellschaft Familie und deren Entstehen ist“, sagt Luise und spielt darauf an, wie wenig sich in den vergangenen Jahren getan hat. Die Politik müsse nun schnell handeln, sonst eliminiere sich das Problem von selbst.
Rettungsversuche
An einem Ausweg aus dem Dilemma beißen sich die Interessengruppen bislang die Zähne aus. Daran, dass die Versicherungsprämien steigen, ist scheinbar nicht zu rütteln. Die Prämien steigen mit den Behandlungskosten für solche Kinder, die mit bleibenden Schäden geboren werden – weil sie zum Beispiel im Geburtskanal nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt waren.
Eine Chance, das Risiko für die Versicherer zu senken, sehen die Hebammen in diesem Vorschlag: Ein staatlich finanzierter Haftungsfonds, der den Versicherern die Kosten über einer bestimmten Haftungsgrenze abnimmt.
Hermann Gröhes Angebot erachten die Hebammen hingegen für unzureichend. Der Gesundheitsminister hatte vor kurzem angekündigt, prüfen zu wollen, ob und wie sich die die steigenden Haftpflichtprämien durch die Einführung eines Regressverzichtes im Kranken- und Pflegebereich begrenzen lassen. Der Hebammenverband schreibt dazu in einer Pressemitteilung: „Inwieweit die Regressdeckelung sich auf die Prämienhöhe auswirken wird, bleibt abzuwarten. Sie ist lediglich ein Hilfsinstrument."
Kein marginales Problem
In Deutschland wird bislang noch jede fünfte Geburt von einer freiberuflichen Hebamme begleitet – im Krankenhaus, in Geburtshäusern oder bei Hausgeburten. Das könnte sich bald ändern und damit das Wahlrecht schwangerer Frauen kippen, wo und mit welcher Unterstützung sie gebären wollen. „Wir sprechen hier von keinem marginalen Problem“, sagt Katharina Jeschke. Die Hebamme kümmert sich im Deutschen Hebammenverband um die Freiberuflerinnen. Mit 5.000 Euro sei für Hebammen eine Grenze erreicht, die einige nicht mehr überschreiten wollen, geschweige denn können.
Laut einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit ist die Zahl derjenigen Hebammen, die Geburtshilfe freiberuflich anbieten, allein in den Jahren 2008 bis 2010 von 25 auf 21 Prozent gesunken.
Hebammen arbeiten rund um die Uhr
Im Zusammenhang mit der Haftpflichtversicherung fällt immer wieder, dass Hebammen eben mehr arbeiten müssten, wenn sie davon leben wollten. „Das ist keine Frage von Wirtschaftlichkeit oder Mehrarbeit“, stellt Dr. Ann-Kathrin Hirschmüller klar, als sie mit diesen Aussagen konfrontiert wird. Die Rechtsanwältin für Medizinrecht vertritt die Interessen des Deutschen Hebammenverbandes.
„Hebammen arbeiten rund um die Uhr – wie Ärzte auch“, sagt sie und erinnert an die vielen Schwangeren, die sich dafür entscheiden, sich von freiberuflichen Hebammen entbinden zu lassen: „Jede vierte Frau will diesen Weg gehen.“ Selbst wenn nur 2 Prozent der Schwangeren sich von einer freien Hebamme bei der Geburt begleiten lassen wollten, sei das ihr gutes Recht, so Hirschmüller: „Die Geburtshilfe muss versicherbar bleiben!
- Datum
- Aktualisiert am
- 26.02.2015
- Autor
- kgl