
Der erste Konflikt rund um Schulausflüge und Reisen entspinnt sich meist schon vor der Abfahrt: Nicht selten verweigern Eltern ihren Kindern die Teilnahme an einer Klassenfahrt. Meist bleibt der oder die Betroffene dann tatsächlich zu Hause. Doch ist das überhaupt rechtens? Henning Schulte im Busch, Anwalt für Verwaltungsrecht in Münster und Mitglied des Deutschen Anwaltvereins (DAV), erklärt: „Das hängt davon ab, ob im jeweiligen Bundesland eine Teilnahme verpflichtend ist. In Nordrhein-Westfalen, dem größten deutschen Teilstaat, ist eine solche Pflicht im Schulgesetz festgeschrieben.“ Jedoch könne die Schulleitung eine Schülerin oder einen Schüler auf Antrag der Eltern von dieser Pflicht befreien. „Dazu müssen die Eltern jedoch darlegen, wieso es aus religiösen oder erzieherischen Gründen nicht möglich ist, dass ihr Kind mitfährt.“
Kleine Vergehen rechtfertigen noch keinen Ausschluss
Doch eine Teilnahme scheitert nicht immer an den Eltern: Mitunter kommt es auch zum Ausschluss einzelner Schülerinnen oder Schüler durch die Schule selbst – eine Maßnahme, die durchaus erlaubt ist. „Das Schulgesetz NRW legt jedoch fest, dass die Lehranstalt auf Verhältnismäßigkeit achten muss, wenn sie eine solche Strafe verhängt“, so Schulte im Busch. „Dies bedeutet, dass Ordnungsmaßnahmen nur zulässig sind, wenn erzieherische Schritte nicht ausreichen.“ Mehrfach versäumte Hausaufgaben oder unentschuldigtes Fehlen rechtfertigen also noch keinen Ausschluss von einer Klassenfahrt.
Ausschluss von Klassenfahrt: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt ebenfalls, wenn die Schule eine Teilnehmerin oder einen Teilnehmer während der Fahrt nach Hause schicken möchte. Kleine Vergehen reichen als Grundlage für eine solche Maßnahme nicht aus, erläutert Schulte im Busch: „Um eine frühzeitige Abreise zu rechtfertigen, muss die Schülerin oder der Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten seine Pflichten verletzt haben.“
Besonders wenn er oder sie dadurch die Rechte anderer gefährdet habe, sei die Maßnahme rechtlich zugelassen. Dann müssten die Abreisenden auch damit rechnen, die Heimfahrt auf eigene Kosten antreten zu müssen: „Öffentlich-rechtliche Verträge, die die Schule vor der Fahrt mit Eltern oder volljährigen Schülern abschließen, legen dies häufig fest“, so Schulte im Busch.
Lehrer sollten Aufsichtspflicht ernst nehmen
Was aber, wenn nicht die Schüler, sondern die Lehrkräfte sich falsch verhalten? „Bei Klassenfahrten kommt es immer wieder vor, dass das Lehrpersonal seine Aufsichtspflichten verletzt“, sagt Schulte im Busch. „Ereignet sich dann zum Beispiel ein Unfall, haftet laut Paragraph 832 des BGB der oder die Aufsichtspflichtige.“ Dies sei zwar in der Regel der Arbeitgeber – also das jeweilige Bundesland – und nicht die Lehrkraft selbst. „Bei grob fahrlässiger Verletzung kann das Land den Lehrkörper jedoch gemäß Artikel 34 des Grundgesetzes in Regress nehmen.“
Dieser Fakt sollte jedoch gerade bei älteren Schülerinnen und Schülern nicht in eine allzu strenge Überwachung münden: „Wie im Schulgesetz NRW näher dargelegt, besteht gegenüber volljährigen Menschen eine erheblich geringere Aufsichtspflicht als gegenüber Erstklässlern“, so Schulte im Busch. Lehrerinnen und Lehrer sollten also auch hier auf Verhältnismäßigkeit achten.
Alkohohl auf Klassenfahrt: Keine Einladung zum Komatrinken
Bleiben die Fragen, die für ältere Schülerinnen und Schüler besonders spannend sind: Zum Beispiel die nach dem Alkohol. Dieser fließt besonders auf Abschlussfahrten bekanntlich schon mal in größeren Mengen. Rechtlich kein Problem? Ganz so einfach ist es laut Schulte im Busch nicht: „Zwar mag der Konsum von Alkohol gerade bei Abiturfahrten am Aufenthaltsort legal sein. Doch eine Klassenfahrt ist eine Schulveranstaltung. Und einige Schulgesetze, etwa das von NRW, sind strenger als der Jugendschutz – und verbieten den Ausschank und Genuss von Alkohol bei Schulveranstaltungen vollständig.“ Das heißt jedoch nicht, das völlige Abstinenz herrschen muss: „Im Schulgesetz NRW ist festgeschrieben, dass die Schulkonferenz Ausnahmen festlegen kann“, erklärt der Münsteraner Anwalt. Diese können aber nur für den Genuss von Bier, Sekt oder Wein gelten – nicht aber für Spirituosen.
Noch brisanter dürfte höchstens das Thema Sex auf Klassenfahrten sein. Schulen bestehen selbst bei volljährigen Schülerinnen und Schülern auf Geschlechtertrennung bei der Zimmerbelegung. Umso spannender, dass es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt: „Dieses Thema wird im Schulgesetz NRW schlichtweg nicht behandelt“, so Schulte im Busch.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 15.05.2024
- Autor
- red