Sie träumen von einem Job als Werber oder Journalist. Ein erster Schritt dorthin ist für viele junge Menschen ein Praktikum. 600.000 Praktikanten gibt es nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung von 2011.
Über ein Praktikum sammeln junge Leute während des Studiums berufliche Erfahrungen und machen sich fit für den Arbeitsmarkt. Andere absolvieren Praktika, weil es ihre Studienordnungen so vorschreiben. Aber auch nach dem Studium sind Praktika an der Tagesordnung, denn für frischgebackene Absolventen steht oft nicht gleich die erste Festanstellung an. Und so beginnen rund 38 Prozent aller Hochschulabsolventen nach dem Studium ein Praktikum oder eine praktikumsähnliche Beschäftigung wie ein Volontariat oder eine Hospitanz – obwohl viele von ihnen im Durchschnitt bereits vier Praktika hinter sich haben. Ihre Motivation für noch ein Praktikum ist klar: Sie wollen einen Job im Unternehmen bekommen.
Keine freie Mitarbeit
Das wollte auch Paul Schneider*. Er absolvierte 2012 vier Monate lang ein Praktikum im Berlin-Büro einer überregionalen Tageszeitung. „Ich dachte, dass ich nach dem Praktikum weiter als freier Mitarbeiter für die Zeitung schreiben kann“, berichtet er. „Aber das hat leider nicht geklappt.“ Dass Absolventen wie Paul nach dem Ende des Praktikums wieder auf der Straße stehen, ist kein Einzelfall. Nur 22 Prozent aller Praktikanten bekommen von ihrem Arbeitgeber eine Stelle angeboten, wie die Studie „Generation Praktikum“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) von 2011 zeigt.
40 Prozent aller Praktika unbezahlt
Der Status von Praktikanten ist anders als der von Auszubildenden gesetzlich nicht klar definiert. Und so sind auch etwa die Angaben zur Bezahlung von Praktikanten in den Gesetzeswerken vage. Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) sieht eine angemessene Vergütung für Praktikanten vor. Doch was ist angemessen?
Für Pflichtpraktika fordert etwa der DGB ein monatliches Salär von mindestens 300 Euro. Praktika von Hochschulabsolventen lehnt der Gewerkschaftsbund hingegen ab. Er fürchtet, Hochqualifizierte könnten in Billig-Praktika ausgebeutet werden. „Es ist erforderlich, dass Absolventen anders als durch Praktika ins Berufsleben einsteigen. Zum Beispiel durch Traineeprogramme oder eine normale sozialversicherungspflichtige Beschäftigung“, sagt Florian Haggenmiller, Bundesjugendsekretär des DGB.
Paul hat bei seinem Vollzeitpraktikum 400 Euro im Monat verdient. Leisten konnte er sich das Praktikum nur, weil seine Eltern die Miete für sein WG-Zimmer bezahlt haben. Nach der Studie des DGB liegt das durchschnittliche Gehalt von Praktikanten bei monatlich 551 Euro. 40 Prozent aller Praktika sind unbezahlt. Paul und andere junge Menschen leben während des Praktikums vom Geld ihrer Eltern oder von eigenen Ersparnissen. Manche gehen in der Zeit einem Nebenjob nach.
Allerdings zeichnet eine aktuelle Studie ein etwas anderes Bild von Praktikanten. Die gemeinsam von der Online-Jobbörse Absolventa und vom Beratungsunternehmen Clevis erstellte Studie geht zum Beispiel davon aus, dass das durchschnittliche Praktikumsgehalt bei 736 Euro pro Monat liegt. Außerdem bescheinigt die Studie der aktuellen Praktikantengeneration eine hohe Zufriedenheit mit ihrer Situation.
Ein Praktikum ist kein Arbeitsverhältnis
Zufrieden mit seinem Praktikum ist auch Paul, hat er doch von seiner Erfahrung sehr profitiert. „Ich fand die großen Redaktionssitzungen toll. In der Zeit habe ich viel gelernt und konnte Texte veröffentlichen“, erzählt er. Paul bedauert nur, dass die Redakteure in der Alltagshektik wenig Zeit hatten, mit ihm seine Texte zu besprechen oder ihm Tipps zu geben.
Gerade die Ausbildung ist juristisch gesehen aber der Sinn eines Praktikums. „Ein Praktikum ist kein Arbeitsverhältnis. Das Erlernen beruflicher Fähigkeiten steht im Mittelpunkt“, erklärt die Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Ein Praktikant sei zwar zum Erwerb praktischer Erfahrungen regelmäßig in die täglichen Arbeitsabläufe eingebunden, doch stehe nicht die Arbeitsleistung im Vordergrund, sondern die Wissensvermittlung.
Praktikanten wie Arbeitnehmer eingesetzt
Weil der Begriff Praktikum rechtlich so vage ist, gibt es darunter viele Schein-Lernverhältnisse. „Ich schätze, dass außerhalb der von den Ausbildungsgängen verpflichtend vorgesehenen Praktika ein sehr großer Teil der Praktikanten wie Arbeitnehmer eingesetzt werden. Sie bekommen aber nicht den gleichen Lohn“, sagt die Kölner Rechtsanwältin Oberthür. Hier könne sich möglicherweise aus Gleichbehandlungsgrundsätzen ein höherer Lohnanspruch ergeben.
Steht das Gehalt eines Praktikanten in krassem Missverhältnis zur Arbeitsleistung, handelt es sich zudem um Lohnwucher. Lohnklagen können auch nachträglich noch erhoben werden. „Ich habe in meiner Praxis aber noch nie erlebt, dass ein Praktikant auf Lohn geklagt hat“, sagt Oberthür.
Gericht: "Schein-Praktikanten" haben Recht auf vollen Lohn
Eine Praktikanten bekam 2016 vor Gericht Recht: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg stellte fest, dass ihr Praktikum eigentlich ein echtes Arbeitsverhältnis war (Entscheidung vom 20. Mai 2016, AZ: 6 Sa 1787/15). Die Frau hatte ihr Studium absolviert und wurde bei einem Verlag für ein Jahr mit einem „Praktikanten-Vertrag“ eingestellt. Sie musste den Weisungen eines Mitarbeiters folgen und in einem Großraumbüro redaktionelle Arbeiten erledigen. Statt der tariflichen 3.000 Euro pro Monat erhielt sie lediglich 400 Euro. Nur wenn der Ausbildungszweck überwiege, handele es sich um ein echtes Praktikum, sagte das Gericht. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Es sprach der Frau den Differenzbetrag von rund 20.000 Euro zu.
Recht auf ein Zeugnis
Selbst Praktikanten, die einen Vertrag unterschrieben haben, sind nicht vor Ausbeutung geschützt. Dennoch ist ein Vertrag nützlich, wenn es darum geht, die eigenen Rechte durchzusetzen. „Praktikanten haben kein Recht auf einen Vertrag. Sie sollten aber mit dem Arbeitgeber einen Vertrag aushandeln, damit sie sich im Fall des Falles darauf berufen können“, erklärt Florian Haggenmiller. Der Vertrag sollte zum Beispiel die Arbeitszeiten, das Gehalt und die Inhalte der Tätigkeit regeln.
Um diese Tätigkeiten zu dokumentieren, sollten sich Praktikanten von ihrem Arbeitgeber ein Praktikumszeugnis ausstellen lassen. Schließlich soll es helfen, ihnen die Tür in ihren Wunsch-Job zu öffnen. Paul Schneider aber wartet bereits seit über einem Jahr vergeblich auf sein Praktikumszeugnis. Dabei steht ihm laut Gesetz aber mindestens ein einfaches Zeugnis zu.
- Datum
- Aktualisiert am
- 14.08.2018
- Autor
- ime/dpa/red