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Inklusion & Arbeitswelt

Ausbildung eines Schwer­be­hin­derten: Wer trägt die Kosten?

Webdesign-Ausbildung eines Schwerbehinderten: Wer muss die Ausbildung finanzieren? © Quelle: Horsche/gettyimages.de

Behinderte Menschen sollen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Dabei zahlt die Bundes­agentur für Arbeit schwer­be­hin­derten Menschen in der Regel eine Ausbildung. Welche Kriterien der Förderung gibt es?

Schwer­be­hinderte, die bei der Bundes­agentur für Arbeit die Finanzierung einer Ausbildung beantragen, erhalten mitunter einen ablehnenden Bescheid. Doch davon sollte man sich nicht verunsichern lassen, so die Deutsche Anwalt­auskunft. Entscheidend sei, dass man dem Arbeitsmarkt durch die Ausbildung noch zur Verfügung stehe. Sei das der Fall, habe könne man als Schwer­be­hin­derter beanspruchen, dass die Bundes­agentur eine Ausbildung finanziert - auch wenn man nach der Ausbildung den PC mit seinen Augen steuert und von zu Hause aus arbeitet. Dies hat das Landes­so­zi­al­gericht Rheinland-Pfalz am 27. Oktober 2016 entschieden (AZ: L 1 AL 52/15).  

Muss Bundes­agentur Ausbildung für Schwer­be­hin­derten zahlen?

Der Fall: Der 1981 geborene Mann ist zu 100 Prozent behindert. Wegen einer schweren Muskel­er­krankung ist er geh- und stehunfähig. Zudem wird er unterstützend beatmet. Außerdem besteht bei ihm eine Schluck­un­fä­higkeit, und er ist auf eine Magensonde angewiesen.  

Nach seinem Hauptschul­ab­schluss beschäftigte er sich seit dem Jahr 1999 mit Computern. Er wollte nun einen Fernkurs zum Webdesigner machen, der rund 2.900 Euro kostete. Deshalb stellte er im Februar 2014 bei der Bundes­agentur einen Antrag auf „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“, also auf Übernahme der Kosten für die Fortbildung. Die Bundes­agentur ließ den Fall von ihrem ärztlichen Dienst untersuchen. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Mann auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine ausrei­chenden Tätigkeiten mehr leisten könne. Daher lehnte die Bundes­agentur für Arbeit den Antrag ab. Doch nach dem Gerichts­urteil des Landes­so­zi­al­ge­richts musste die Bundes­agentur die Kosten für die Ausbildung des schwer­be­hin­derten Mannes zahlen.

Gericht: Antrag auf Übernahme der Kosten für Ausbildung eines Schwer­be­hin­derten erfolgreich

Anträge können Betroffene gegebe­nenfalls noch selbst stellen. Bei der Ablehnung und der weiteren Verfolgung der Ansprüche sollten Betroffene sich jedoch anwaltliche Hilfe holen. Hier konnte der Mann sich erfolgreich durchsetzen. Rechts­an­wäl­tinnen und Rechts­anwälte für Sozialrecht findet man in der Anwaltssuche.  

Auch wer über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügt, kann sich eine Rechts­an­wältin oder einen Rechts­anwalt nehmen. Man kann unter Umständen Anspruch auf Beratungs- oder Prozess­kos­tenhilfe haben. Wann Betroffene einen solchen Anspruch haben erfahren Sie in unserem Text "Rechts­beistand kann sich jeder leisten".  

In diesem Fall hatte die erste Instanz, das Sozial­gericht Koblenz, ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten eingeholt. Demnach war der Mann in der Lage, den Computer sicher und zügig mit den Augen zu steuern. Die Tätigkeit als Webdesigner hielt der Gutachter vom heimischen Arbeitsplatz aus für täglich vier bis knapp über sechs Stunden für möglich. Der Kläger sei hochin­tel­ligent und sehr motiviert. Nach Auffassung des Gerichts habe er als behinderter Mensch einen Anspruch auf die Förderung.

Schwer­be­hinderte: Wann fördert die Arbeits­agentur eine Ausbildung?

Gefördert werden könnten nicht nur Ausbil­dungen, die zu einer abhängigen Beschäf­tigung in einem Betrieb führen, sondern auch solche, bei denen im Anschluss ein Beruf als Selbständiger ausgeübt werde. Dies sei dem Mann nach dem Gutachten möglich, wobei auch eine abhängige Beschäf­tigung nicht völlig ausgeschlossen sei. Die Berufung der Bundes­agentur hatte auch keinen Erfolg: Das Landes­so­zi­al­gericht in Mainz bestätigte die erste Instanz.

Nach Auffassung des Landes­so­zi­al­ge­richts kann der Mann als schwer­be­hin­derter Mensch grundsätzlich entspre­chende Leistungen beanspruchen. Das Sachver­stän­di­gen­gut­achten habe seine zukünftige potentielle Leistungs­fä­higkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festge­stellt. Gerade als Webdesigner könne man zu Hause arbeiten und dort seinen Arbeitsplatz haben („Home Office"). Auch könne der Betroffene ohne wesentliche Einschränkung per Telefon kommuni­zieren und den Computer hinreichend schnell mit den Augen steuern. Daher sei eine „wirtschaftlich verwertbare Tätigkeit“ möglich, so das Gericht.

Da die Bundes­agentur keine günstigere und in gleicher Weise geeignete Ausbil­dungs­mög­lichkeit benennen konnte, musste sie die angestrebte Ausbildung finanzieren.

Datum
Aktualisiert am
15.05.2017
Autor
DAV
Bewertungen
2378
Themen
Arbeit­nehmer Arbeits­agentur Ausbildung Behinderte Inklusion

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