In Düsseldorf stand kürzlich eine pensionierte Lehrerin vor Gericht, sie musste sich gegen den Vorwurf des Betrugs verantworten. Sie war einige Jahre zuvor während ihres Arbeitsverhältnisses von Voll- auf Teilzeit (18 statt 41 Stunden pro Woche) gewechselt, hatte aber immer noch das Vollzeit-Gehalt erhalten. Sie hatten das zuständige Landesamt für Besoldung nicht über den Fehler informiert, da sie ihn nach eigenen Angaben nicht bemerkt habe. Sie wurde zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Als Bewährungsauflage soll sie die zu viel gezahlten 237.000 Euro zurückzahlen.
Zu viel gezahltes Gehalt muss nicht immer zurückgezahlt werden
Dass Arbeitgeber versehentlich zu viel Lohn oder Gehalt überweisen, kommt immer wieder vor. Allerdings ist es oft nicht so scheinbar offensichtlich wie im genannten Fall, und es geht häufig nicht um so hohe Summen. Ob der Arbeitnehmer das Geld zurückzahlen muss, kommt auf den Einzelfall an. „Grundsätzlich gilt in einem solchen Fall: Der Arbeitnehmer hat mehr erhalten als ihm zusteht, also müsste er das Geld theoretisch zurückerstatten“, sagt Rechtsanwalt Micheal Eckert, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) und des DAV-Vorstandes sowie Vorstand des Anwaltvereins Heidelberg. Es seien allerdings Szenarien denkbar, in denen das zu viel gezahlte Gehalt nicht zurückgezahlt werden muss.
Dazu müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
1. Der Arbeitnehmer konnte darauf vertrauen, dass das höhere Gehalt seine Richtigkeit hat.
Hat ein Arbeitnehmer jeden Monat einen anderen Nettobetrag auf dem Gehaltszettel stehen, fällt ein geringfügig zu hohes Gehalt häufig nicht auf. So leisten beispielsweise Schichtarbeiter womöglich nicht jeden Monat die gleiche Anzahl von Stunden, und erhalten für diese aufgrund von Nacht- und Wochenendzuschlägen unterschiedliche Löhne.
2. Im Vertrauen auf die Richtigkeit des Gehalts hat der Arbeitnehmer das Geld ausgegeben.
Geht man davon aus, dass das zu viel gezahlte Gehalt seine Berechtigung hat, spricht aus Sicht des Arbeitnehmers natürlich nichts dagegen, es auch auszugeben.
In letzterem Fall spricht man von einer Entreicherung. Der Arbeitnehmer wurde zwar ungerechtfertigt bereichert, hat das Geld aber in gutem Glauben ausgegeben. Der Wert befindet sich auch nicht mehr im Vermögen des Arbeitnehmers. Diese gutgläubige Entreicherung muss der Arbeitnehmer allerdings beweisen.
3. Der Arbeitnehmer hat für diese Ausgaben keinen Gegenwert erhalten.
Auch wenn das Geld ausgegeben ist, bedeutet das nicht, dass der Wert sich nicht mehr im Vermögen des Arbeitnehmers befindet. „Setzt der Arbeitnehmer das zu viel gezahlte Gehalt ein, um sich zum Beispiel ein Auto oder Aktien zu kaufen oder eine Sondertilgung bei einem Kredit vorzunehmen, verbleibt der Wert in seinem Vermögen“, erklärt Rechtsanwalt Eckert. Eine Rückzahlung sei dann theoretisch noch möglich. Anders sehe es aus, wenn man mit dem Geld zum Beispiel eine Reise mache oder einen Restaurantbesuch bezahle.
Bewährungsstrafe für zu viel gezahltes Gehalt
In einem weiteren Fall von zu viel gezahltem Gehalt wurde eine Lehrerin im März 2017 vom Amtsgericht Düsseldorf wegen Betrugs zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Sie war über vier Jahre hinweg für 20 Stunden bezahlt worden, obwohl sie nur zehn gearbeitet hatte. Sie gab an, den Berechnungen des Besoldungsamtes vertraut zu haben. Nun muss sie das zu viel gezahlte Geld, 77.000 Euro, zurückzahlen. Zudem muss sie eine Geldstrafe von 2.500 Euro an ein Kinderhospiz entrichten.
„Geld hat man zu haben“
Anders kann es aussehen, wenn der Arbeitnehmer das zu viel gezahlte Gehalt zwar bemerkt, aber nichts gesagt hat – vielleicht in der Hoffnung, dass es nicht auffällt. Oder wenn die zu viel gezahlte Summe so hoch ist, dass er etwas hätte merken müssen. Dann muss er das zu viel gezahlte Gehalt zurückerstatten. Und zwar auch dann, wann er das zu viel gezahlte Gehalt bereits ausgegeben hat, ohne einen Gegenwert dafür zu erhalten. Hier gilt der juristische Grundsatz: Geld hat man zu haben. Das bedeutet: Nur weil der Schuldner – in diesem Fall der Arbeitnehmer – vielleicht kein Geld mehr hat, heißt das nicht, dass er seine Schuld nicht mehr begleichen muss.
Der Arbeitgeber kann das zu viel gezahlte Gehalt aber nicht einfach vom nächsten regulären Gehalt abziehen oder den Lohn sogar so lange einbehalten, bis die Schuld beglichen ist. Das ist nur in seltenen Ausnahmefällen möglich. „In manchen Arbeitsverträgen bestehen auch Ausschlussfristen, nach deren Ablauf der Arbeitgeber das zu viel gezahlte Gehalt nicht mehr zurückfordern kann“, erklärt der Rechtsanwalt aus Heidelberg. Zudem gelten gesetzliche Verjährungsfristen. Diese kämen jedoch selten in Betracht, so der Anwalt weiter, da es meist innerhalb weniger Wochen auffalle, wenn der Arbeitgeber zu viel Gehalt gezahlt habe.
Konflikt mit dem Arbeitgeber? Anwalt für Arbeitsrecht einschalten
Ihr Arbeitgeber glaubt, Ihnen zu viel Gehalt gezahlt zu haben, Sie sind aber anderer Meinung? Sie müssen zu viel gezahltes Gehalt zurückerstatten, haben es aber schon ausgegeben? Oder befinden Sie sich in einem anderen Konflikt mit Ihrem Arbeitgeber, in dem Sie nicht weiterwissen? Eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht kann Sie zum richtigen Vorgehen beraten. Einen Experten in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Anwaltssuche.
- Datum
- Aktualisiert am
- 07.06.2018
- Autor
- vhe