Sexuelle Belästigung ist ein weit verbreitetes Phänomen: In der Arbeitswelt etwa haben 17 Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer schon einmal eine sexuelle Belästigung erlebt, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt.
Allerdings fielen die Zahlen der Umfrage deutlich höher aus, als man den Befragten die gesetzliche Definition des Begriffs sexuelle Belästigung vorlegte und sie die Tatbestände abfragte, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beschreibt. Dann gaben 49 Prozent der Frauen und sogar 56 Prozent der Männer an, in Schule, Ausbildung oder Beruf schon einmal sexuell belästigt worden zu sein, überwiegend von Männern.
Was ist sexuelle Belästigung?
Die unterschiedlichen Ergebnisse der Umfrage machen deutlich, dass viele Beschäftigte häufig nicht wissen, wann eine sexuelle Belästigung vorliegt und beziehen deshalb den Begriff nicht auf das, was sie im beruflichen Umfeld erleben. Für Beschäftigte kann es sich daher lohnen, einen Blick in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu werfen.
Das umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannte Regelwerk verbietet jede Art von Diskriminierung, worunter auch sexuelle Belästigung fällt. Danach ist eine sexuelle Belästigung „ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten“, wozu das Gesetz auch „sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts“ zählt, die bezwecken oder bewirken, „dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa Einschüchterungen, Anfeindungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“
Kann auch ein Witz eine sexuelle Belästigung sein?
Dem Gesetz nach kann also jemand einen anderen sexuell belästigen, wenn er beispielsweise seiner Vorgesetzten anzügliche E-Mails schreibt, Nacktbilder im Betrieb verschickt oder gar einer Kollegin an den Po oder die Brust fasst.
Solche Handlungen, müssen nicht mehrmals vorkommen, um eine sexuelle Belästigung darzustellen, dazu reicht ein einmaliger Vorfall.
Ob dieser Vorfall unbedacht geschehen ist oder vermeintlich harmlos gemeint war, spielt dabei keine Rolle. „Bei der Bewertung einer bestimmten Verhaltensweise als sexuelle Belästigung ist nicht entscheidend, wie der Täter sein Verhalten zunächst selbst eingeschätzt und empfunden hat oder wie er es verstanden wissen wollte“, sagt der Wiesbadener Rechtsanwalt Simon Kalck von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Simon Kalck verweist darauf, dass das Bundesarbeitsgericht in Erfurt dies so in den letzten Jahren mehrfach entschieden hat (AZ: 2 AZR 651/13 und 2 AZR 323/10). „Entscheidend ist immer, ob die Bemerkung oder Berührung für den Täter erkennbar objektiv unerwünscht war. Deshalb kann zum Beispiel auch ein Witz sexuell belästigen“, so Kalck.
Sexuelle Belästigung: Beweise sammeln
Betroffene haben unterschiedliche Möglichkeiten, sich gegen sexuelle Belästigungen zu wehren:
In der konkreten Situation sollten Betroffene dem Täter sagen, dass sie sich belästigt fühlen und Konsequenzen ankündigen. Wer sich aus Angst oder Scham nicht direkt äußern kann, dem rät Simon Kalck: „Man kann dem Täter auch einen Brief schreiben und ihm darin deutlich machen, dass er Grenzen überschritten hat und man dieses Verhalten nicht akzeptiert.“
Wer den Täter direkt anspricht, sollte zugleich versuchen, Kollegen darauf aufmerksam machen, dass man belästigt wird. Das kann nicht nur den Vorfall selbst stoppen, sondern hat auch den Sinn, dass die Kollegen so Zeugen des Vorfalls werden. Dies kann helfen, sich juristisch erfolgreich gegen eine sexuelle Belästigung zu wehren.
Darüber hinaus sollte man Beweise sammeln. Oft hilft es auch, ein Gedächtnisprotokoll mit Datum, Ort und Ablauf des Vorfalls anfertigen. So schafft man sich eine Gedächtnisstütze, um sich auch einige Zeit später noch genau an den Vorfall zu erinnern.
„In jedem Fall müssen sich Arbeitnehmer gegen sexuelle Belästigungen innerhalb von zwei Monaten wehren“, sagt Simon Kalck. „Diese Frist sieht das Gesetz dafür vor, dass man Schmerzensgeld oder Schadensersatz geltend machen kann.“
Muss der Arbeitgeber Beschäftigte vor sexueller Belästigung schützen?
Betroffene von sexueller Belästigung sollten sich an die Gleichstellungsbeauftragte im Betrieb oder die interne Beschwerdestelle wenden. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist jedes Unternehmen verpflichtet, solche Stellen einzurichten.
Auch sollte man den Arbeitgeber informieren. Dieser ist, was wenige Beschäftigte wissen, gesetzlich dazu verpflichtet, Beschäftigte vor sexueller Belästigung zu schützen, egal ob diese von einem Mitarbeiter, Kunden oder Vorgesetzten ausgeht.
Um Beschäftigte vor sexueller Belästigung zu schützen, kann ein Arbeitgeber den Täter ermahnen, abmahnen, versetzen oder ihm kündigen. Auch eine fristlose Kündigung ist denkbar. „Welche Maßnahme der Arbeitgeber ergreift, liegt in seinem Ermessen und hängt vom Einzelfall ab“, sagt Simon Kalck. „Der Arbeitgeber muss allerdings solche Maßnahmen ergreifen, die die Belästigung unterbinden und einen Wiederholungsfall verhindern.“
Vom Einzelfall hängt auch ab, ob eine sexuelle Belästigung zu einer fristlosen Kündigung des Täters führen kann. Zwar verhält sich ein belästigender Beschäftigter vertragswidrig und sein Verhalten ist, wie das Bundesarbeitsgericht klargemacht hat, „an sich“ ein wichtiger Grund nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für eine fristlose Kündigung.
Doch hat das BAG auch betont, dass es auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt, ob eine fristlose Kündigung legitim ist. Wichtig kann dabei beispielsweise sein, ob ein Beschäftigter schon einmal aufgefallen ist oder wie er sich nach der Tat verhalten hat. Es muss dem BAG zu Folge immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden (AZ: 2 AZR 651/13).
Sexuelle Belästigung: Wie kann der Betriebsrat dagegen helfen?
Doch gleich, welche Maßnahme der Arbeitgeber ergreift – er muss tätig werden. Ansonsten können Betroffene vor dem Arbeitsgericht ihren Schutz juristisch durchsetzen.
„Darüber hinaus können sich Betroffene auch an den Betriebsrat wenden“, sagt Simon Kalck. Denn auch Betriebsräte sind laut Betriebsverfassungsgesetz dazu verpflichtet, Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Den Betriebsrat sollten Beschäftigte insbesondere dann einschalten, wenn sie der Arbeitgeber selbst sexuell belästigt.
Daneben können sich Arbeitnehmer aber auch außerhalb des Unternehmens Hilfe holen. Sollte sich ein Arbeitnehmer sexuell belästigt fühlen, rät Simon Kalck, sich einem Fachanwalt für Arbeitsrecht anzuvertrauen. Dieser kann den Sachverhalt einschätzen und Wege aufzeigen, um sich erfolgreich zur Wehr zu setzen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 24.09.2015
- Autor
- ime