Verletzung der Kernarbeitszeit ist Pflichtverstoß
„Wer zu den Kernarbeitszeiten nicht am Arbeitsplatz ist, begeht einen Pflichtverstoß“, informiert Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht vom Deutschen Anwaltverein (DAV). „Arbeitgeber können ihre Angestellten dafür abmahnen.“ Kommt ein Angestellter trotz Abmahnung wiederholt zu spät oder verlässt den Arbeitsplatz zu früh, drohe ihm die fristlose Kündigung.
Wie oft der Angestellte abgemahnt werden muss, bevor der Arbeitgeber ihn entlassen kann, hängt vom Einzelfall ab. „Es kommt darauf an, wie schwerwiegend die Pflichtverstöße sind“, erklärt Anwältin Oberthür. „Angenommen, ein Angestellter wird abgemahnt, weil er zwanzig Minuten zu spät kommt. Verletzt er die Kernarbeitszeit ein zweites Mal um nur einige Minuten, wird das nicht für eine Kündigung ausreichen. Kommt er aber wiederholt für einen großen Zeitraum zu spät oder verlässt den Arbeitsplatz zu früh, kann das eine Kündigung rechtfertigen.“
Kernarbeitszeit verletzt? Besonders schwerwiegend bei Störung des Betriebsablaufs
Wer die Kernarbeitszeit verletzt, riskiert vor allem dann ernste Konsequenzen, wenn dadurch der Betriebsablauf gestört wird – das heißt, wenn die anderen Mitarbeiter ihrer Arbeit nicht in vollem Umfang nachgehen können. „Das gilt zum Beispiel, wenn die Teilnehmer eines Meetings auf einen Kollegen warten müssen, bevor sie beginnen können, oder die Arbeit auf einer Baustelle nicht starten kann, bevor alle Mitarbeiter da sind“, erklärt die Anwältin aus Köln.
Ausgleich mit Überstunden nicht möglich
Kann ein Arbeitnehmer es mit Überstunden ausgleichen, wenn er die Kernarbeitszeit verletzt hat? „Nein“, sagt Anwältin Oberthür. „Der Sinn einer Kernarbeitszeit ist, dass in dieser Zeit alle Mitarbeiter ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Das heißt, dass sie dann am Arbeitsplatz sind.“ Ein Arbeitgeber lege die Kernarbeitszeit meist aus betrieblichen Gründen fest, zum Beispiel für die Zeitspanne, in der das Kundenaufkommen besonders hoch ist.
Verletzt ein Arbeitnehmer die vereinbarte Kernarbeitszeit, fehlt seine Arbeitskraft dann, wenn sie besonders dringend gebraucht wird. Überstunden zu anderen Tageszeiten können das naturgemäß nicht ausgleichen. „Das heißt: Auch wer viele Überstunden angesammelt hat, kann abgemahnt werden, wenn er die Kernarbeitszeit verletzt“, warnt Dr. Nathalie Oberthür.
Verspätung vorhersehbar? Abmahnung möglich
Wichtig: Eine Abmahnung droht in der Regel nur, wenn der Angestellte selbst dafür verantwortlich ist, dass er die Kernarbeitszeit verletzt hat. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn er zu spät zur Arbeit kommt, weil er verschläft. „Auch in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer für den Grund der Verspätung per se nichts kann, sie aber hätte voraussehen können, droht eine Abmahnung“, warnt Dr. Nathalie Oberthür. „Wenn beispielsweise ein Bahnstreik einige Tage im Voraus angekündigt wird, müssen Arbeitnehmer dafür sorgen, dass sie trotzdem rechtzeitig am Arbeitsplatz sind. Gleiches gilt für Glatteis im Winter. Auch darauf müssen Arbeitnehmer vorbereitet sein und zum Beispiel früher losfahren oder auf den Öffentlichen Nahverkehr umsteigen.“
Verspätungen so früh wie möglich bekannt geben
Wer absehen kann, dass er es nicht rechtzeitig zu Arbeitsbeginn oder zu Beginn der Kernarbeitszeit zum Arbeitsplatz schafft, sollte seinem Arbeitgeber so schnell wie möglich Bescheid geben. Fehlt ein Arbeitnehmer unentschuldigt, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Abmahnung.
Unverschuldete Verletzung der Kernarbeitszeit: keine Abmahnung
Was passiert nun, wenn ein Arbeitnehmer für eine Verspätung nichts kann? „Wer die Kernarbeitszeit unverschuldet verletzt, muss in der Regel nicht mit ernsten Konsequenzen rechnen“, sagt Rechtsanwältin Oberthür. „Doch auch hier kommt es auf den Einzelfall an.“ Unvorhergesehene Unwetter oder ein Autounfall gelten unter Umständen als sogenannte höhere Gewalt – Abmahnungen sind dann eher selten die Folge.
- Datum
- Aktualisiert am
- 01.10.2024
- Autor
- vhe