Nach dem Erwerbsleben

Vorzeitig in den Ruhestand: So gleicht man Abzüge bei der Rente aus

Vorzeitig in Rente gehen: Wie vermeidet man lebenslange Abschläge? © Quelle: Westend61/gettyimages.de

Wer vor dem gesetz­lichen Rentenalter in den Ruhestand gehen will, muss mit Abschlägen bei seinen Alters­bezügen rechnen, also mit einer lebens­langen Kürzung seiner Rente. Die Deutsche Anwalt­auskunft zeigt, wie man Abzüge bei der Rente ausgleichen kann.

Viele ältere Arbeit­nehmer sind topfit und schieben den Ruhestand weit von sich – selbst wenn sie das gesetzliche Renten­ein­trittsalter erreichen. Andere Beschäftigte wollen den Blaumann oder Computer so schnell wie möglich hinter sich lassen und endlich ihre Rente genießen. Aber diesem Wunsch sind Grenzen gesetzt, denn wer sich vor dem Erreichen des gesetz­lichen Renten­ein­tritts­alters zur Ruhe setzt, muss teils erhebliche und lebenslange Abschläge bei seiner Rente hinnehmen.

Wann kann man in Rente gehen?

Die Regelal­ters­grenze steigt seit 2012 stufenweise an. Zurzeit liegt sie zwischen 65 Jahren und fünf Monaten und 67 Jahren. Wer mit dem Erreichen dieser Alters­grenze in den Ruhestand geht, also mit dem offiziellen Renten­beginn, erhält seine reguläre Altersrente in voller Höhe.

Wollen Versicherte vor Erreichen der gesetz­lichen Alters­grenze Rentner werden, können sie dies abschlagsfrei nur tun, wenn sie die Voraus­set­zungen für die Rente mit 63 Jahren erfüllen: Die oder der Versicherte muss 45 Versiche­rungsjahre in die Rentenkasse eingezahlt haben und vor dem 1. Januar 1953 geboren sein.

Hartz IV: BMAS schafft die „Zwangs­ver­rentung" ab

Wer Leistungen nach dem SGB II bezieht, auch Grundsi­cherung für Erwerbs­fähige oder Hartz IV genannt, kann von den Jobcentern nicht mehr dazu verpflichtet werden, vor dem gesetz­lichen Renten­ein­trittsalter in den Ruhestand zu gehen. Das gilt aber nur für die Hartz-IV-Bezieher, die durch eine vorgezogene Rente mit Abschlägen bedürftig und auf Grundsi­che­rungs­leis­tungen im Alter angewiesen sein würden. Diese Regelung greift seit dem 1. Januar 2017. Damit gelten für viele ältere Hartz-IV-Bezieher die alten Regeln nicht mehr, nach denen sie dazu gezwungen werden konnten, frühzeitig in Rente zu gehen und damit lebenslange Kürzungen ihrer Rente hinnehmen mussten.

Beschäftigte: Wann kann man vorzeitig in Rente gehen?

„Wer als Arbeit­nehmer nicht die Bedingungen für die Rente mit 63 erfüllt, aber trotzdem vor der Regelal­ters­grenze in den Ruhestand gehen will, muss Abzüge bei seiner Altersrente hinnehmen“, sagt der Karlsruher Rechts­anwalt Christian Wagner von der Arbeits­ge­mein­schaft Sozialrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). „In jedem Fall muss man eine Mindest­ver­si­che­rungszeit von 35 Jahren aufweisen und das 63. Lebensjahr erreicht haben.“

Abschlag von der Rente – wann muss man damit rechnen?

Wie hoch die Abschläge bei der Rente ausfallen, hängt vom Geburts­jahrgang des Versicherten ab. „Den Geburts­jahrgang 1952 kostet die Rente mit 63 etwa einen Abschlag von neun Prozent, den Geburts­jahrgang 1963 einen Abschlag von 13,8 Prozent“, sagt Rechts­anwalt Christian Wagner.

Versicherte, die vor der Regelal­ters­grenze Rentner werden wollen, müssen in der Regel für jeden vorgezogenen Monat einen Abschlag von 0,3 Prozent in Kauf nehmen. Wer etwa drei Jahre früher als üblich für seinen Jahrgang in Rente geht, erhält eine Renten­min­derung bei 10,8 Prozent pro Monat (36 Monate * 0,3 = 10,8 Prozent). Abzüge bei der Altersrente greifen lebenslang und lassen sich zumindest derzeit während des Renten­bezugs nicht mehr ausgleichen.

Kann ein Rentner später wieder wechseln, wenn er eine Altersrente mit Abschlag beantragt hat?

Zudem gilt: Hat ein Rentner sich einmal für eine Altersrente mit Abschlag entschieden, gibt es meist kein Zurück mehr. Darüber informiert die Arbeits­ge­mein­schaft Sozialrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) hin und verweist auf eine Entscheidung des Bayerischen Landes­so­zi­al­ge­richts vom 24. Mai 2017 (AZ: L 1 R 429/15). Demnach kann später nicht einfach wechseln, wer bereits eine Altersrente bezieht. Ist der Renten­be­scheid bindend geworden, ist auch der Rentner daran gebunden.

Der im Juli 1951 geborene Mann beantragte im April 2013 zunächst Altersrente nach Alters­teil­zeit­arbeit. Nachdem die Renten­ver­si­cherung ihn darüber aufgeklärt hatte, dass er diese Altersrente mit Abschlägen frühestens ab August 2014 beanspruchen könne, teilte der Mann ihr mit, dass er ab August 2013 eine Altersrente für langjährige Versicherte in Anspruch nehmen würde. Diese ist mit einem Abschlag von 10,8 Prozent verbunden.

Andere Rentenart beantragt, nachdem Renten­be­scheid bindend wurde

Der daraufhin erlassene Renten­be­scheid wurde bindend. Im Juni 2014 beantragte der Rentner die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte. Sein Antrag wurde abgelehnt.

Er beziehe bereits seit August 2013 eine Altersrente für langjährige Versicherte, so die Renten­ver­si­cherung. Auch sei ein Wechsel in eine andere Altersrente nach bindender Bewilligung eines Renten­be­scheids ausgeschlossen.

Auch vor Gericht hatte der Mann keinen Erfolg. Zwar erfülle er die Voraus­set­zungen für die abschlagsfreie Rentenart, aber diesem Renten­an­spruch stehe der Bezug der bisherigen Rente entgegen. Nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters komme ein Renten­wechsel nicht mehr in Frage. Ein Hinein­wachsen in eine andere Rente sei nicht möglich.

Rentenart mit anwalt­licher Hilfe wählen

Es ist wichtig, genau zu prüfen, welche Rentenart für den Betroffenen die passende ist. Darüber kann ein DAV-Sozial­rechts­anwalt informieren. Schließlich sind die Konsequenzen dieser Entscheidung enorm.

Die Sozial­rechts­anwälte weisen aber darauf hin, dass die spätere Inanspruchnahme einer anderen Altersrente möglich sein kann. Etwa dann, wenn zunächst eine bindend bewilligte Altersrente bezogen wurde, diese aber etwa wegen Überschreitens des Hinzuver­dienstes weggefallen war. Auch kann eine Erwerbs­min­de­rungsrente oder eine Erziehungsrente nach Wegfall der Altersrente beantragt werden.

Wie kann man eine Renten­min­derung ausgleichen?

Aber es gibt eine Möglichkeit, Abschläge vor dem Bezug der Altersrente zu kompen­sieren. „Eine solche Kompen­sation ist besonders bei den derzeit niedrigen Zinsen eine lukrative Variante“, sagt Christian Wagner. Diesen Ausgleich zahlt man von einem gewissen Alter an zusätzlich in die Kasse der Deutschen Renten­ver­si­cherung. Damit starten kann man mit nach den im Laufe des Jahres 2017 geltenden Regeln zur Flexi-Rente ab dem 50. Geburtstag. Lesen Sie mehr über die Flexi-Rente und was sie älteren Arbeit­nehmern bringt.

Die folgenden Beispiele sind Modell­rech­nungen, um zu zeigen, wie hoch die Ausgleichs­zah­lungen der Versicherten sein müssen, um Abschläge bei der Altersrente auszugleichen: Danach müssten Versicherte bei einer Bruttorente von 700 Euro im Monat und einem Jahr vorzeitigen Renten­beginn etwas über 5800 Euro in die Renten­ver­si­cherung einzahlen, um die Renten­ab­schläge zu kompen­sieren. Damit könnte man die Renten­min­derung in Höhe von 3,6 Prozent - also von etwa 25 Euro im Monat - voll ausgleichen.

„Wenn der Versicherte aber drei Jahre früher in Rente gehen möchte, muss er schon rund 35.000 Euro für den Ausgleich einzahlen, bei einer Bruttorente von 1.300 im Monat“, sagt Rechts­anwalt Wagner. „Die Renten­min­derung liegt dann bei 10,8 Prozent oder rund 140 Euro pro Monat.“

Abzüge bei der Rente: Lohnt sich die Ausgleichs­zahlung in die gesetzliche Rente für Versicherte?

„Was kaum einer glauben mag, ist aber Fakt und durch verschiedene Studien bestätigt: Die gesetzliche Rente aus freiwilligen Beiträgen schlägt in vielen Fällen sowohl die Riester-Rente als auch die Rürup-Rente“, so Rechts­anwalt Wagner. „Angesichts der rekord­tiefen Zinsen und der zu erwartenden niedrigen privaten Renten bei Neuabschlüssen spricht viel für die gesetzliche Rente, da diese vom Zinsniveau am Kapitalmarkt völlig abgekoppelt ist.“ Hinzu kämen die dauerhaft höhere Rente, die höhere Witwen- oder Witwerrente und die steuer­lichen Vergüns­ti­gungen bei der Einzahlung.

Ausgleichs­zah­lungen in die gesetzliche Renten­ver­si­cherung: Muss man frühzeitig in Rente gehen?

Wer mit 55 Jahren einen vorzeitigen Renten­beginn plant und Ausgleichs­zah­lungen an die Renten­ver­si­cherung überweist, ist nicht verpflichtet, sich tatsächlich früher zur Ruhe zu setzen. Entscheiden sich Betroffene, doch lieber bis zum offiziellen Renten­beginn jeden Morgen zur Arbeit zu fahren, können sie sich dann im Alter über eine höhere Altersrente freuen. Die Einzahlung geht also nicht verloren. Auch die Witwer- oder Witwenrente fällt entsprechend höher aus.

Renten­ab­schlag ausgleichen: Auch in Raten möglich?

Viele Versicherte wissen nicht, dass sie die Ausgleichs­zah­lungen nicht auf einmal leisten müssen, sondern dass dies auch in Raten möglich ist. Außerdem ist vielen Arbeit­nehmern nicht bewusst, dass auch Dritte diese Kompen­sa­tionen leisten können – zum Beispiel der Arbeitgeber.

Wie kann ein Anwalt bei Renten­min­derung und Ausgleichs­zahlung helfen?

Wer plant, vorzeitig in die Rente zu gehen, sollte sich von einer Rechts­an­wältin oder einem Rechts­anwalt für Sozialrecht beraten lassen. Denn ein Rechts­experte kann dazu beraten, wie man mögliche Renten­min­de­rungen ausgleichen kann. Dazu muss man zum Beispiel zunächst den Versiche­rungs­verlauf bei der Renten­ver­si­cherung prüfen. „Oft bestehen Lücken, die man aber schließen kann“, sagt Rechts­anwalt Wagner. „Bestenfalls kann man schon dadurch eine vorgezogene Altersrente ohne Abschläge erreichen.“

Außerdem kann eine Rechts­an­wältin oder ein Rechts­anwalt für Sozialrecht über das Verfahren der Kompen­sation einer Renten­min­derung informieren und aufzeigen, wie man die Ausgleichs­zah­lungen so tätigt, dass sie keine steuer­lichen Nachteile mit sich bringen.