Lesen Sie weiter
- Seite 1 – Wann kann man vorzeitig in Rente gehen?
- Seite 2 – Andere Rentenart beantragt, nachdem Rentenbescheid bindend wurde
- Seite 3 – Wie kann man eine Rentenminderung ausgleichen?
- Auf einer Seite lesen
Viele ältere Arbeitnehmer sind topfit und schieben den Ruhestand weit von sich – selbst wenn sie das gesetzliche Renteneintrittsalter erreichen. Andere Beschäftigte wollen den Blaumann oder Computer so schnell wie möglich hinter sich lassen und endlich ihre Rente genießen. Aber diesem Wunsch sind Grenzen gesetzt, denn wer sich vor dem Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters zur Ruhe setzt, muss teils erhebliche und lebenslange Abschläge bei seiner Rente hinnehmen.
Die Regelaltersgrenze steigt seit 2012 stufenweise an. Zurzeit liegt sie zwischen 65 Jahren und fünf Monaten und 67 Jahren. Wer mit dem Erreichen dieser Altersgrenze in den Ruhestand geht, also mit dem offiziellen Rentenbeginn, erhält seine reguläre Altersrente in voller Höhe.
Wollen Versicherte vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Rentner werden, können sie dies abschlagsfrei nur tun, wenn sie die Voraussetzungen für die Rente mit 63 Jahren erfüllen: Die oder der Versicherte muss 45 Versicherungsjahre in die Rentenkasse eingezahlt haben und vor dem 1. Januar 1953 geboren sein.
Wer Leistungen nach dem SGB II bezieht, auch Grundsicherung für Erwerbsfähige oder Hartz IV genannt, kann von den Jobcentern nicht mehr dazu verpflichtet werden, vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in den Ruhestand zu gehen. Das gilt aber nur für die Hartz-IV-Bezieher, die durch eine vorgezogene Rente mit Abschlägen bedürftig und auf Grundsicherungsleistungen im Alter angewiesen sein würden. Diese Regelung greift seit dem 1. Januar 2017. Damit gelten für viele ältere Hartz-IV-Bezieher die alten Regeln nicht mehr, nach denen sie dazu gezwungen werden konnten, frühzeitig in Rente zu gehen und damit lebenslange Kürzungen ihrer Rente hinnehmen mussten.
„Wer als Arbeitnehmer nicht die Bedingungen für die Rente mit 63 erfüllt, aber trotzdem vor der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gehen will, muss Abzüge bei seiner Altersrente hinnehmen“, sagt der Karlsruher Rechtsanwalt Christian Wagner von der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „In jedem Fall muss man eine Mindestversicherungszeit von 35 Jahren aufweisen und das 63. Lebensjahr erreicht haben.“
Wie hoch die Abschläge bei der Rente ausfallen, hängt vom Geburtsjahrgang des Versicherten ab. „Den Geburtsjahrgang 1952 kostet die Rente mit 63 etwa einen Abschlag von neun Prozent, den Geburtsjahrgang 1963 einen Abschlag von 13,8 Prozent“, sagt Rechtsanwalt Christian Wagner.
Versicherte, die vor der Regelaltersgrenze Rentner werden wollen, müssen in der Regel für jeden vorgezogenen Monat einen Abschlag von 0,3 Prozent in Kauf nehmen. Wer etwa drei Jahre früher als üblich für seinen Jahrgang in Rente geht, erhält eine Rentenminderung bei 10,8 Prozent pro Monat (36 Monate * 0,3 = 10,8 Prozent). Abzüge bei der Altersrente greifen lebenslang und lassen sich zumindest derzeit während des Rentenbezugs nicht mehr ausgleichen.
Zudem gilt: Hat ein Rentner sich einmal für eine Altersrente mit Abschlag entschieden, gibt es meist kein Zurück mehr. Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin und verweist auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 2017 (AZ: L 1 R 429/15). Demnach kann später nicht einfach wechseln, wer bereits eine Altersrente bezieht. Ist der Rentenbescheid bindend geworden, ist auch der Rentner daran gebunden.
Der im Juli 1951 geborene Mann beantragte im April 2013 zunächst Altersrente nach Altersteilzeitarbeit. Nachdem die Rentenversicherung ihn darüber aufgeklärt hatte, dass er diese Altersrente mit Abschlägen frühestens ab August 2014 beanspruchen könne, teilte der Mann ihr mit, dass er ab August 2013 eine Altersrente für langjährige Versicherte in Anspruch nehmen würde. Diese ist mit einem Abschlag von 10,8 Prozent verbunden.
Der daraufhin erlassene Rentenbescheid wurde bindend. Im Juni 2014 beantragte der Rentner die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte. Sein Antrag wurde abgelehnt.
Er beziehe bereits seit August 2013 eine Altersrente für langjährige Versicherte, so die Rentenversicherung. Auch sei ein Wechsel in eine andere Altersrente nach bindender Bewilligung eines Rentenbescheids ausgeschlossen.
Auch vor Gericht hatte der Mann keinen Erfolg. Zwar erfülle er die Voraussetzungen für die abschlagsfreie Rentenart, aber diesem Rentenanspruch stehe der Bezug der bisherigen Rente entgegen. Nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters komme ein Rentenwechsel nicht mehr in Frage. Ein Hineinwachsen in eine andere Rente sei nicht möglich.
Es ist wichtig, genau zu prüfen, welche Rentenart für den Betroffenen die passende ist. Darüber kann ein DAV-Sozialrechtsanwalt informieren. Schließlich sind die Konsequenzen dieser Entscheidung enorm.
Die Sozialrechtsanwälte weisen aber darauf hin, dass die spätere Inanspruchnahme einer anderen Altersrente möglich sein kann. Etwa dann, wenn zunächst eine bindend bewilligte Altersrente bezogen wurde, diese aber etwa wegen Überschreitens des Hinzuverdienstes weggefallen war. Auch kann eine Erwerbsminderungsrente oder eine Erziehungsrente nach Wegfall der Altersrente beantragt werden.
Aber es gibt eine Möglichkeit, Abschläge vor dem Bezug der Altersrente zu kompensieren. „Eine solche Kompensation ist besonders bei den derzeit niedrigen Zinsen eine lukrative Variante“, sagt Christian Wagner. Diesen Ausgleich zahlt man von einem gewissen Alter an zusätzlich in die Kasse der Deutschen Rentenversicherung. Damit starten kann man mit nach den im Laufe des Jahres 2017 geltenden Regeln zur Flexi-Rente ab dem 50. Geburtstag. Lesen Sie mehr über die Flexi-Rente und was sie älteren Arbeitnehmern bringt.
Die folgenden Beispiele sind Modellrechnungen, um zu zeigen, wie hoch die Ausgleichszahlungen der Versicherten sein müssen, um Abschläge bei der Altersrente auszugleichen: Danach müssten Versicherte bei einer Bruttorente von 700 Euro im Monat und einem Jahr vorzeitigen Rentenbeginn etwas über 5800 Euro in die Rentenversicherung einzahlen, um die Rentenabschläge zu kompensieren. Damit könnte man die Rentenminderung in Höhe von 3,6 Prozent - also von etwa 25 Euro im Monat - voll ausgleichen.
„Wenn der Versicherte aber drei Jahre früher in Rente gehen möchte, muss er schon rund 35.000 Euro für den Ausgleich einzahlen, bei einer Bruttorente von 1.300 im Monat“, sagt Rechtsanwalt Wagner. „Die Rentenminderung liegt dann bei 10,8 Prozent oder rund 140 Euro pro Monat.“
„Was kaum einer glauben mag, ist aber Fakt und durch verschiedene Studien bestätigt: Die gesetzliche Rente aus freiwilligen Beiträgen schlägt in vielen Fällen sowohl die Riester-Rente als auch die Rürup-Rente“, so Rechtsanwalt Wagner. „Angesichts der rekordtiefen Zinsen und der zu erwartenden niedrigen privaten Renten bei Neuabschlüssen spricht viel für die gesetzliche Rente, da diese vom Zinsniveau am Kapitalmarkt völlig abgekoppelt ist.“ Hinzu kämen die dauerhaft höhere Rente, die höhere Witwen- oder Witwerrente und die steuerlichen Vergünstigungen bei der Einzahlung.
Wer mit 55 Jahren einen vorzeitigen Rentenbeginn plant und Ausgleichszahlungen an die Rentenversicherung überweist, ist nicht verpflichtet, sich tatsächlich früher zur Ruhe zu setzen. Entscheiden sich Betroffene, doch lieber bis zum offiziellen Rentenbeginn jeden Morgen zur Arbeit zu fahren, können sie sich dann im Alter über eine höhere Altersrente freuen. Die Einzahlung geht also nicht verloren. Auch die Witwer- oder Witwenrente fällt entsprechend höher aus.
Viele Versicherte wissen nicht, dass sie die Ausgleichszahlungen nicht auf einmal leisten müssen, sondern dass dies auch in Raten möglich ist. Außerdem ist vielen Arbeitnehmern nicht bewusst, dass auch Dritte diese Kompensationen leisten können – zum Beispiel der Arbeitgeber.
Wer plant, vorzeitig in die Rente zu gehen, sollte sich von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt für Sozialrecht beraten lassen. Denn ein Rechtsexperte kann dazu beraten, wie man mögliche Rentenminderungen ausgleichen kann. Dazu muss man zum Beispiel zunächst den Versicherungsverlauf bei der Rentenversicherung prüfen. „Oft bestehen Lücken, die man aber schließen kann“, sagt Rechtsanwalt Wagner. „Bestenfalls kann man schon dadurch eine vorgezogene Altersrente ohne Abschläge erreichen.“
Außerdem kann eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt für Sozialrecht über das Verfahren der Kompensation einer Rentenminderung informieren und aufzeigen, wie man die Ausgleichszahlungen so tätigt, dass sie keine steuerlichen Nachteile mit sich bringen.