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Neuer Arbeitsplatz

Versetzung im Job: Was Arbeitgeber entscheiden dürfen

Wer in eine andere Abteilung versetzt wird, ärgert sich darüber mitunter. Eine größere Umstellung ist jedoch der Stadtwechsel. © Quelle: Bradbury/gettyimages.de

Arbeitgeber haben im Rahmen ihres Direkti­onsrecht Befugnisse, Mitarbeiter innerhalb des eigenen Betriebs zu versetzen. Doch sind auch diesen Vorhaben Grenzen gesetzt. Welche das sind, erfahren Sie hier.

Abwechslung im Job ist nicht selten von Vorteil: andere Aufgaben, andere Ansprech­partner und Kollegen, mitunter auch neue Motivation. Anders sieht es aber oft aus, wenn Arbeit­nehmer vor vollendete Tatsachen gestellt werden, wenn die Vorgesetzten über den Kopf des Mitarbeiters entscheiden – und ihn versetzen.

So sich die Versetzung auf die Abteilung bezieht, ist sie wohl zu verkraften – zumindest gemessen an weitrei­chenderen Schritten. Denn auch die Versetzung in eine andere Stadt oder sogar ins Ausland ist möglich. Hierbei ist der Arbeits­vertrag entscheidend.

Direkti­onsrecht gibt Chefs weitrei­chende Befugnisse

Dem Arbeitgeber obliegt das sogenannte Direkti­onsrecht, auch Weisungsrecht genannt. Es meint allgemein, dass der Arbeitgeber im Rahmen der im Arbeits­vertrag festge­legten Bestim­mungen die Ausführung der Arbeits­leistung konkre­ti­sieren darf. Im Umkehr­schluss bedeutet das: Je weniger im Arbeits­vertrag geregelt ist, etwa bezogen auf den Arbeits­inhalt, umso mehr Gestal­tungs­mög­lich­keiten hat der Arbeitgeber.

„In der Praxis sind in Tätigkeits­be­schrei­bungen in Arbeits­ver­trägen nicht allzu weit gefasst“, schränkt aber die Frankfurter Rechts­an­wältin Dr. Doris-Maria Schuster ein. Sie ist im Geschäfts­füh­renden Ausschuss der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV) und kennt die Gründe dafür aus eigener Erfahrung.

Denn Arbeitgeber müssten bei der Formulierung der Arbeits­verträge abwägen: Formulieren sie die Arbeits­inhalte zu allgemein, würden sie sich zwar Spielraum bei Verset­zungen schaffen, schränkten sich gleich­zeitig aber ein, sollten sie betriebs­bedingt kündigen müssen. Eine saubere Sozial­auswahl sei dann nahezu unmöglich.

Nichts­des­totrotz: Vorgesetzte können Verset­zungen anordnen, solang sie nicht dem Arbeits­vertrag, Bestim­mungen einer Betriebs­ver­ein­barung oder eines anwendbaren Tarifvertrags widersprechen. Geregelt ist dies in § 106 der Gewerbe­ordnung.

BAG: Mitarbeiter müssen nicht immer Folge leisten

Das Bundes­ar­beits­gericht (BAG) hat am 14. Juni 2017 in einem Fall von Versetzung vorläufig zugunsten des Arbeit­nehmers entschieden (AZ: 10 AZR 330/16). Die Entscheidung hat womöglich Auswir­kungen auf tausende Arbeit­nehmer in Deutschland.

In dem Fall ging es um einen Immobi­li­en­kaufmann, der für ein halbes Jahr von Dortmund nach Berlin versetzt wurde. Er weigerte sich allerdings, seine Stelle in Berlin anzutreten. Daraufhin wurde er zwei Mal abgemahnt und dann fristlos entlassen. Dagegen klagte er.

Bislang galt: Arbeit­nehmer müssen der Weisung ihres Chefs Folge leisten – andernfalls drohen Abmahnung und Kündigung. Das gilt solange, bis ein Gerichts­urteil bestätigt hat, dass der Arbeitgeber die Weisung nicht ausführen muss, zum Beispiel weil sie unbillig ist. Das geht aus einem Urteil des 5. Senat des BAG von 2012 hervor (Urteil vom 22.02.2012, AZ: 5 AZR 249/11).

Im Fall des Immobi­li­en­kaufmanns gaben die ersten Instanzen allerdings dem Arbeit­nehmer Recht: Er sei nicht verpflichtet gewesen, in der Hauptstadt zu arbeiten. So war das Landes­ar­beits­gericht Hamm der Ansicht, dass Arbeit­nehmer nicht an unbillige Weisungen gebunden sind. Eine solche Regelung führe zu einem zu hohen Risiko für den Arbeit­nehmer. Der 10. Senat des BAG schloss sich dem an. Er hat deshalb beim 5. Senat angefragt, ob er bei seiner Rechtsprechung bleiben will. Werden sich die beiden nicht einig, muss der Große Senat entscheiden, was künftig gilt. Über die Kündigung des Immobi­li­en­kaufmanns muss nun gesondert entschieden werden.

Versetzung muss im „billigen Ermessen“ geschehen

Hier heißt es zudem, dass der Arbeitgeber die Arbeits­leistung näher bestimmen darf, solange dies im „billigen Ermessen“ geschieht.

Das ist ein wichtiger Zusatz, denn er meint, dass stets abgewogen werden muss zwischen dem Interesse des Arbeit­gebers an einer Versetzung und denen des Arbeit­nehmers beziehungsweise der Interessen der Arbeit­nehmer untereinander.

Keine Fristen bei Verset­zungen – aber Berück­sich­tigung des Zumutbaren

Grundsätzlich sind Verset­zungen innerhalb eines Standorts aus Arbeit­ge­bersicht leichter durchzu­setzen als jene, die einen anderen Arbeitsort mit sich bringen. Zumindest dann, wenn die neue Position mit der vorherigen vergleichbar ist. Arbeits­rechts­expertin Schuster: „Streit kann es beispielsweise dann geben, wenn ein Arbeit­nehmer zuvor Personal­ver­ant­wortung innehatte, auf der neuen Position davon aber keine Spur mehr ist.“ Auch darf mit einer Versetzung keine geringe Bezahlung einhergehen.

Festgelegte Fristen gibt es dabei nicht. „Auch hier muss das billige Ermessen berück­sichtigt werden“, sagt Doris-Maria Schuster. Wer einen Mitarbeiter 200 Kilometer weit weg schicken möchte, sollte ihm dies also früher mitteilen, als wenn es nur um eine andere Abteilung geht.

Sonderfall Betriebsrat: Andere Regeln, andere Fristen

Diese Fragen gestalten sich etwas anders, wenn es im betref­fenden Unternehmen einen Betriebsrat gibt. Dieser muss bei Verset­zungen immer angehört werden und kann sich eine Woche Zeit lassen, um sich mit dem Thema zu befassen.

Das regelt § 95 des Betriebs­ver­fas­sungs­gesetz und hat das Bundes­ar­beits­gericht in einem Beschluss im Jahr 2000 noch einmal betont (AZ: 1 ABR 5/99).

Interes­sens­ab­wägung von Arbeit­nehmer und Arbeitgeber: Das sagen die Gerichte

Da eine Interes­sens­ab­wägung knifflig sein kann, landen Verset­zungs­versuche immer wieder auch auf den Schreib­tischen deutscher Richter. Drei beispielhafte Entschei­dungen:

  • Landesarbeitsgericht Hessen (AZ: 11 Sa 296/06): Arbeitnehmer müssen eine Versetzung über eine Entfernung von 300 Kilometern nicht hinnehmen. Im August 2007 gab das Gericht damit der Klage einer Sachbearbeiterin statt, die nach einer mehrjährigen Elternzeit und dem zwischenzeitlichen Umzug ihres Arbeitgebers künftig vom Rhein-Main-Gebiet ins Ruhrgebiet pendeln sollte. Im August 2010 entschied in gleicher Weise bei einem ähnlichen Fall auch das höchste deutsche Arbeitsgericht, das Bundesarbeitsgericht (AZ: 10 AZR 275/09).
  • Landesarbeitsgericht Köln (AZ: 7 Sa 537/13): Interessen von Arbeitnehmern dürfen nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden. Der Kläger war als Stammfahrer für Tankwagen nach vielen krankheitsbedingten Fehltagen in den Springerpool versetzt worden, was gleichbedeutend mit einem unregelmäßigeren Schichteinsatz ist. Das Gericht gab dem Kläger Recht.
  • Bundesarbeitsgericht (AZ: 9 AZR 433/06): Formulararbeitsverträge, in denen sich Arbeitgeber vorbehalten, Mitarbeiter entsprechenden seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen Tätigkeit zu betrauen oder an einem anderen Ort zu beschäftigen, sind erlaubt. Im März 2007 verkündete das BAG diese Entscheidung.

Rechts­widrige Versetzung: Anspruch auf Schadens­ersatz für Zweitwohnung und Pendeln

Bei rechts­widrigen Verset­zungen an andere Arbeits­stellen innerhalb des Unternehmens können Arbeit­nehmer Anspruch auf Schadens­ersatz haben. Das Landes­ar­beits­gericht in Frankfurt am Main hat einen Arbeitgeber verurteilt, seinem Mitarbeiter nach einer unwirksamen Versetzung Schadens­ersatz zu zahlen (Entscheidung vom 10. November 2017, AZ: 10 Sa 964/17), wie die Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht des DAV informiert. Der Arbeit­nehmer bekam die Kosten für eine Zweitwohnung und eines Teils der Heimfahrt erstattet sowie ein Tagegeld.

Was betroffene Arbeit­nehmer oder Arbeit­neh­me­rinnen tun können

Ist eine Versetzung unwirksam, könnten Betroffene theoretisch ihre Arbeit auch im Rahmen ihres Leistungs­ver­wei­ge­rungsrecht verweigern. Davor rät Rechts­an­wältin Schuster aber dringend ab: „Ehe nicht abschließend geklärt ist, ob die Versetzung nicht doch rechtens ist, sollten Arbeit­nehmer ihre neue Arbeit ausüben.“ Andernfalls drohe die fristlose Kündigung.

Versetzt und unglücklich? Was ein Rechts­anwalt oder eine Rechts­an­wältin in diesem Fall für Arbeit­nehmer tun kann

Arbeit­nehmer, die versetzt werden sollen, das aber nicht in ihrem Interesse ist und auch ein Gespräch mit dem Vorgesetzten kein für beide Seiten zufrie­den­stel­lendes Ergebnis brachte, sollten sich an einen Anwalt oder eine Anwältin wenden. Das ist allein schon deshalb wichtig, um sich Rat einzuholen, welches Vorgehen das Richtige ist. Wie darf man sich verhalten, ohne Gefahr zu laufen, gekündigt zu werden? Gibt es einen Betriebsrat und wann kann man den einschalten?

Idealerweise lässt sich dann ein Prozess vermeiden. Ist dem nicht so, braucht es ohnehin anwaltliche Unterstützung. Steht die Versetzung unmittelbar bevor, kann ein Rechts­beistand zudem versuchen, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung eine vorläufige Entscheidung des Arbeits­ge­richts herbei­zu­führen.

Aber auch Arbeitgeber sind gut beraten, sich zumindest bei absehbar proble­ma­tischen Verset­zungen anwalt­lichen Rat zu holen. Meist geschehen Verset­zungen ja nicht aus böser Absicht, sondern werden aus sachlichen Gründen notwendig. Anwälte sind auch hier beratend tätig, um das richtige Timing zu wählen, um auszuloten, inwiefern es Alternativen gibt und welche Zusatz­leis­tungen dem Arbeit­nehmer angeboten werden könnten – etwa die Bezahlung der Unterkunft in einer neuen Stadt während einer Übergangszeit.

Entscheidend ist auch hier: Rechts­anwälte und –anwältinnen haben ein großes Interesse daran, gemeinsam mit ihren Mandanten einen Rechts­streit zu verhindern. Sollte Sie das Thema betreffen, finden Sie in unserer großen Anwaltssuche fachkundige Arbeits­rechts­exper­tinnen und –experten.

Datum
Aktualisiert am
07.03.2019
Autor
ndm,DAV
Bewertungen
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Themen
Arbeit Arbeit­nehmer Arbeitsplatz

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