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An die Darlegungslast eines Arbeitnehmers bei einer Verdachtskündigung sind keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Denn es ist zum Beispiel möglich, dass sich ein Arbeitnehmer nach einer gewissen Zeit nicht mehr im Einzelnen an bestimmte Tätigkeiten erinnern kann.
So war es auch in dem Fall, in dem das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein am 18. Oktober 2016 (AZ: 1 Sa 32/16) zu entscheiden hatte. Es ging um die Verdachtskündigung einer Arbeitnehmerin durch ihren Arbeitgeber. Die Frau war bei einem Unternehmen im Außendienst beschäftigt und musste Arztpraxen besuchen. Für ihre Tätigkeit galt eine Reise- und Spesenrichtlinie. Bei eintägigen auswärtigen Tätigkeiten ohne Übernachtung zahlte das Unternehmen bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte eine Pauschale von zwölf Euro.
Als die Frau ihre Spesenabrechnungen einreichte, kam dem Arbeitgeber der Verdacht, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war. Er vermutete Spesenbetrug. Der Grund: Die Frau hatte wiederholt angegeben, von circa 9:00 bis 17:00 Uhr gearbeitet zu haben, danach eine Pause von mehr als zwei Stunden gemacht und dann ihre Tätigkeit wieder aufgenommen zu haben. Gut einen Monat später sprach der Arbeitgeber mit der Arbeitnehmerin wegen seines Verdachts. Ihr wurde dann gekündigt.
Die Arbeitnehmerin verteidigte sich gegen den Verdacht des Spesenbetrugs und zog gegen die Kündigung vor Gericht. Sie habe nach den Pausen ihre Arbeit immer wieder aufgenommen, könne sich aber nicht mehr im Einzelnen an die konkreten Tätigkeiten erinnern und diese belegen. Es sei auch über ein Monat vergangen. Das Landesarbeitsgericht gab ihr Recht.
Spricht der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aus, muss er dabei strenge Anforderungen erfüllen:
Nachdem die Kieler Richter diese Punkte geprüft hatten, lehnten sie die Verdachtskündigung ab. Es bestehe gegen die Arbeitnehmerin zwar ein Verdacht, der sei jedoch nicht stark genug, so das Gericht. Allein aus den merkwürdigen Pausenzeiten hatten die Richter keine hohe Wahrscheinlichkeit herausgelesen, dass die Mitarbeiterin ihren Arbeitgeber habe betrügen wollen.
Die Arbeitnehmerin sei zwar verpflichtet, den Sachverhalt zu ergänzen. Es reiche aber aus, dass sie ihre Pausenzeiten darlege. Sie müsse dem Arbeitgeber gegenüber nicht detailliert belegen, was sie an den einzelnen Tagen nach den von ihr angegebenen Pausen konkret für Tätigkeiten erledigt habe.
Plausible Erinnerungslücken seien tatsächlich denkbar. Auch ist klar, dass man nicht jeden Tag Notizen des Geschehenen anfertige. Das Gericht berücksichtigte hier insbesondere, dass schon über ein Monat vergangen war.
Damit eine Verdachtskündigung wirksam ist, muss der Arbeitgeber außerdem genug Zeit haben, sich zu dem Verdacht zu äußern. Das geht aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 21. März 2018 hervor (AZ: 3 Sa 398/17), über die die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV informiert. Demnach ist eine Frist von zwei Werktagen dafür in jedem Fall zu kurz. Die Verdachtskündigung ist dann unwirksam.
Die Arbeitnehmerin konnte sich erfolgreich gegen ihren Arbeitgeber und gegen ihre Verdachtskündigung wehren. Dies ist nur mit einer im Arbeitsrecht versierten Rechtsanwältin beziehungsweise einem Rechtsanwalt möglich. Ansprechpartner im ganzen Bundesgebiet finden Sie über die Anwaltssuche oben auf der Seite.