Wie viel Urlaubsanspruch haben Arbeitnehmer eigentlich?
Grundsätzlich hat nach dem Bundesurlaubsgesetz jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Urlaub – unabhängig davon, ob er als Geschäftsführer oder Aushilfe, in Teilzeit oder Vollzeit arbeitet. Den Anspruch erwirbt man auch dann, wenn man gar nicht arbeitet, sondern beispielsweise über einen längeren Zeitraum krankgeschrieben ist. „Entscheidend ist, dass ein gültiges Arbeitsverhältnis für mindestens einen vollen Monat besteht“, sagt der Rechtsanwalt Jakob T. Lange vom Deutschen Anwaltverein (DAV).
Für Verwirrung sorgt oft die Frage, wie hoch der gesetzlich definierte Mindestanspruch auf Urlaub genau ist. Das Bundesurlaubsgesetz legt hier 24 Werktage fest. Als „Werktage“ gelten aber alle Tage außer Sonn- und Feiertagen, also auch der Samstag. „24 echte Urlaubstage können damit nur Arbeitnehmer reklamieren, die eine Sechs-Tage-Woche von Montag bis Samstag haben“, sagt der Arbeitsrechtler Jakob T. Lange.
Wer, wie die meisten Arbeitnehmer in Deutschland, lediglich von Montag bis Freitag arbeitet, kommt ohne die Samstag lediglich auf einen Anspruch von 20 Urlaubstagen – die Samstage hat er ja ohnehin frei. Praktisch läuft damit beides auf das Gleiche hinaus: „Der Mindesturlaubsanspruch beträgt immer vier Wochen“, so Rechtsanwalt Lange.
An diesem Vier-Wochen-Anspruch ändert sich auch nichts, wenn ein Arbeitnehmer täglich in Teilzeit arbeitet. Bei weniger als fünf Arbeitstagen pro Woche reduziert sich der Mindesturlaub entsprechend: Für vier Wochenarbeitstage gibt es 16 Urlaubstage, für drei gibt es 12 usw. Lediglich Jugendlichen und schwerbehinderten Menschen gewährt der Gesetzgeber einen höheren Mindestanspruch.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber steht es selbstverständlich frei, einen höheren Urlaubsanspruch als den gesetzlich vorgesehenen zu vereinbaren. Häufig sind solche Ansprüche auch über Tarifverträge geregelt. Auch Praktikanten können übrigens einen Anspruch auf Urlaub haben – das gilt in der Regel dann, wenn das Praktikum dem Zweck der Aus- oder Fortbildung dient.
Wann verfällt der Urlaubsanspruch?
„Grundsätzlich muss der Jahresurlaub bis zum 31. Dezember beantragt und genommen werden, ansonsten verfällt der Urlaubsanspruch“, sagt der Rechtsanwalt Jakob T. Lange.
Es gibt allerdings Ausnahmen, bei denen Arbeitnehmer den Urlaub ins neue Jahr „mitnehmen“ können, wenn sie ihn rechtzeitig beantragt haben:
- Der Arbeitnehmer ist erkrankt und kann deshalb den Urlaub nicht mehr rechtzeitig nehmen. „Das ist beispielsweise der Fall, wenn im Dezember noch ein Urlaubsanspruch von fünf Tagen besteht, dieser aber bis zum Jahresende wegen bestehender, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann“, sagt Rechtsanwalt Lange.
- Wichtige betriebliche Gründe verhindern, dass der Arbeitnehmer den Urlaub rechtzeitig nehmen kann. Das kann zum Beispiel ein wichtiges Projekt zum Jahresende sein, bei dem alle Mitarbeiter unabkömmlich sind.
In beiden Fällen wird der Urlaubsanspruch ins neue Jahr übertragen, muss dann allerdings bis zum 31. März nachgeholt werden. Sonst verfällt er. Ist der Mitarbeiter dann noch immer arbeitsunfähig, wird der Urlaubsanspruch wiederum bis zum 31. Dezember übernommen.
Unendlich fortsetzen lässt sich das allerdings nicht: Spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfallen diese Urlaubsansprüche endgültig.
Länger als bis zum 31. März ist der „Alturlaub“ auch dann gültig, wenn der Arbeitnehmer erst in der zweiten Hälfte des Vorjahres den Job angetreten hat und beispielsweise die sechsmonatige Probezeit am Ende des Jahres noch nicht beendet war. Auch in diesem Fall besteht der Urlaubsanspruch dann bis zum 31. Dezember des neuen Jahres, wenn der Arbeitnehmer die Übertragung des Teilurlaubes verlangt hat.
Wer sich Diskussionen um den Resturlaub am Jahresende ersparen möchte, sollte unbedingt rechtzeitig den Urlaub planen. „Ich rate jedem Arbeitnehmer, frühzeitig den Jahresurlaub zu beantragen“, sagt Rechtsanwalt Jakob T. Lange. „Diesen Antrag sollte man schriftlich stellen, so dass man ihn im Streitfall nachweisen kann.“
Muss der Chef meine Urlaubswünsche akzeptieren?
Der Arbeitgeber muss Urlaubswünsche des Arbeitnehmers laut Bundesurlaubsgesetz generell berücksichtigen. Er kann sie aber auch ablehnen, wenn wichtige betrieblich Gründe dagegen sprechen – zum Beispiel ein dringendes Großprojekt. Ein solcher Grund kann aber zum Beispiel auch darin liegen, dass bereits zu viele andere Kollegen im Urlaub sind.
Darüber hinaus hat der Arbeitgeber am Anfang des Jahres die Möglichkeit, einen verbindlichen Betriebsurlaub für alle Mitarbeiter festzulegen – mindestens 2/5 des Jahresurlaubs müssen laut Bundesarbeitsgericht dem einzelnen Mitarbeiter allerdings noch zur freien Verfügung bleiben. Der Arbeitnehmer darf auch nicht gezwungen werden, seinen Urlaub übermäßig zu zerstückeln. Mindestens 12 zusammenhängende Urlaubstage muss der Chef gewähren, damit eine ausreichende Erholung sichergestellt ist.
Ist ein Urlaub erst einmal genehmigt, können Arbeitnehmer die freie Zeit übrigens unbesorgt genießen: Ihr Chef darf Sie in der Regel nicht aus dem Urlaub zurückrufen.
Kann man sich nicht genommenen Urlaub auszahlen lassen?
Nein, das ist nicht erlaubt. „Sinn und Zweck des Urlaubs ist, dass der Arbeitnehmer sich erholt und seine Arbeitskraft wiederherstellt“, sagt Rechtsanwalt Jakob T. Lange. Ein Auszahlen der nicht genommenen Urlaubstage würde diesem Zweck widersprechen. Ausnahme: „Wenn bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Resturlaub besteht, muss dieser ausbezahlt werden“, so Lange. Diese Ansprüche können nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts auch noch nach Ende des Jahres geltend gemacht werden, in dem das Arbeitsverhältnis gekündigt wurde (AZ: 9 AZR 652/10).
Kann ich Urlaubsansprüche erben?
Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer seinen kompletten Jahresurlaub nicht mehr nehmen kann, - weil er verstirbt? In manchen Fällen können die Erben sich dann die noch ausstehende Vergütung für die Urlaubstage auszahlen lassen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun einen Fall auf dem Tisch, in dem es genau darum geht. Zwei Witwen fordern von den Arbeitgebern ihrer verstorbenen Männer, ihnen deren ungenutzten Urlaub auszuzahlen (Rechtssachen C-569/16 und C-570/16). Das Verfahren läuft noch. Ein EU-Gutachter teilte aber bereits mit, dass die Erbinnen seiner Ansicht nach einen Anspruch auf das Geld hätten. Es ist nicht sicher, aber sehr wahrscheinlich, dass sich die Richter des EuGH bei ihrer Entscheidung an die Einschätzung des Gutachters halten werden.
Bereits 2014 hatte der EuGH entschieden: Der Anspruch auf bezahlten Urlaub endet nicht mit dem Tod (Rechtssache C-118/13). Nach deutschem Recht verfällt der Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer stirbt. Das sei nicht mit Europäischem Recht vereinbar, so der EuGH. Dieses gewährt allerdings nur einen bezahlten Jahresurlaub von vier Wochen. Nur für diese Zeit besteht deshalb ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Erben. Ob die Erben den Urlaub des Verstorbenen ausgezahlt bekommen, hänge, so das Gericht weiter, übrigens nicht davon ab, ob er im Vorfeld einen Antrag gestellt hat. In dem Fall hatte der Arbeitnehmer bis zu seinem Tod mehr als 140 Urlaubstage angesammelt.
Der Verwaltungsgericht Karsruhe entschied 2015, dass sich diese Regelung auch auf Beamte übertragen lässt (Urteil vom 16. Juli 2015; AZ: 3 K 24/15).
Kann man seinen gesamten Jahresurlaub stundenweise nehmen?
Im Urlaub sollen Beschäftigte sich erholen: Sie müssen ihren Urlaub deswegen in ganzen Tagen nehmen. Das geht aus dem Bundesurlaubsgesetz hervor. Dass eine stundenweise Arbeitszeitverkürzung deshalb nicht in Frage kommt, hat das Landesarbeitsgerichts Köln entschieden (Entscheidung vom 9. April 2019, AZ: 4 Sa 242/18). Darauf weist die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV hin.
In dem Fall hatte ein Mann in seinem Arbeitsvertrag vereinbart, seinen Jahresurlaub in Form einer wöchentlichen Arbeitszeitverkürzung zu nehmen. Er arbeitete statt der bezahlten 30 Stunden pro Woche nur 27,5 Wochenstunden. Als der Arbeitgeber ihm kündigte, klagte der Beschäftigte auf Abgeltung seiner Urlaubsansprüche – und bekam Recht. Wie das Gericht erklärte, könne die im Arbeitsvertrag vorgesehene Arbeitszeitverkürzung den Anspruch auf den gesetzlichen Erholungsurlaub nicht ersetzen.
Zusammenfassung: Was Sie beim Thema Urlaub beachten sollten
- Grundsätzlich stehen Arbeitnehmern mindestens vier Wochen Jahresurlaub zu.
- Versäumt der Arbeitnehmer es, den Urlaub rechtzeitig bis zum 31.12. zu beantragen und zu nehmen, verfällt der Anspruch. Eine Übertragung bis zum 31.3. des Folgejahres ist nur in Ausnahmefällen möglich.
- Der Arbeitgeber muss Urlaubswünsche seiner Mitarbeiter grundsätzlich berücksichtigen und darf nicht den gesamten Jahresurlaub als Betriebsurlaub festlegen.
- Eine Auszahlung von Urlaubstagen ist während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht erlaubt.
- Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Jahresurlaub immer rechtzeitig zu beantragen. Um beweisen zu können, dass man einen Antrag gestellt hat, sollte dieser immer schriftlich vorliegen.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 14.01.2021
- Autor
- pst,red/dpa