
Liebe Patricia H.,
herzlichen Dank für Ihre interessante Frage, die ich natürlich gern beantworte. Ich beginne mit einem Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der auf einer glatten Straße ausrutscht und sich ein Bein bricht, ist arbeitsunfähig und erhält von seinem Arzt eine Krankschreibung, und zwar solange, bis er wieder genesen ist.
Erkrankte Arbeitnehmer bekommen derzeit bis zu sechs Wochen lang eine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber und danach bis zu 78 Wochen Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung - sofern es sich um dieselbe Erkrankung handelt. So sieht das aktuelle Prozedere aus.
Theoretisch denkbar wäre im beschriebenen Fall aber, dass der Arzt den Patienten zu etwa 75 Prozent krankschreibt und dieser den Rest der Zeit arbeiten geht – wenn dies vom ausgeübten Beruf her möglich ist und der Patient etwa einer sitzenden Tätigkeit vor einem Computer nachgeht. Die gesetzliche Krankenkasse würde dann zum Teil Krankengeld zahlen, der Rest wären Lohn oder Gehalt.
Allerdings ist das nur ein Gedankenspiel, denn es gibt in Deutschland aktuell keine Teilzeit-Krankschreibung, kein Attest für nur einige Stunden am Tag. Anders als in Schweden beispielsweise, wo solche Modelle durchaus praktiziert werden. Demgegenüber ist man in Deutschland entweder arbeitsunfähig und bleibt komplett zu Hause oder man ist gesund und geht eben arbeiten. Ein Entweder-Oder also.
Was das deutsche Gesundheitswesen aber kennt, ist das sogenannte Hamburger Modell, über das lange erkrankte Arbeitnehmer ihre Arbeit in einem Unternehmen schrittweise wieder aufnehmen können. Die Beschäftigten arbeiten dabei in den ersten zwei oder drei Wochen der Wiedereingliederung mit einer geringen Stundenzahl und steigern diese über einen gewissen Zeitraum bis zur Vollzeit oder ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. In dieser Rückkehrphase zahlen die gesetzlichen Krankenversicherungen Krankengeld.
Allerdings haben Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, über das Hamburger Modell wieder in ihren Job eingegliedert zu werden. Man braucht dafür die Zustimmung des Arbeitgebers. Etwas anderes kann aber für schwerbehinderte Arbeitnehmer gelten, die unter Umständen eine Wiedereingliederung auch dann durchsetzen können, wenn ihr Arbeitgeber hierzu nicht bereit ist.
Übrigens wurde Ende 2015 hierzulande über eine Teilzeit-Krankschreibung debattiert. Der Auslöser dafür war die Veröffentlichung eines Gutachtens, das Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe 2014 in Auftrag gegeben hatte. Das Gutachten sollte Lösungen entwickeln, um die Frage zu beantworten, wie man die explodierenden Gesundheitskosten eindämmen könnte.
Dabei leiden die gesetzlichen Krankenkassen vor allem unter hohen Krankengeldzahlungen, die etwa in 2014 rund 10,6 Milliarden Euro betrugen. Über eine Teilzeit-Krankenschreibung hofft man, die Kosten für das Krankengeld zu reduzieren, denn dabei würden sich, wie beschrieben, ja auch die Arbeitgeber an den Kosten beteiligen.
- Datum
- Autor
- Swen Walentowski