
Der Dauereinsatz von Leiharbeitern in Unternehmen muss nicht automatisch in eine Festanstellung münden, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt am Dienstag entschieden. Das Urteil wurde mit Spannung erwartet – und wird Leiharbeiter womöglich enttäuschen.
Experte überrascht das Urteil nicht
In der Pressemitteilung des BAG zur Entscheidung heißt es: „Der Gesetzgeber habe bei einer Arbeitnehmerüberlassung, die mehr als nur vorübergehend sei, bewusst nicht angeordnet, dass daraus ein Anspruch auf ein Arbeitsverhältnis entstehe.“ Und mögliche Sanktionen obliegen „dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeitssachen“. Dr. Nathalie Oberthür von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) überrascht das Urteil nicht allzu sehr, auch wenn „das Bundesarbeitsgericht sonst schon sehr arbeitnehmerfreundlich in diesem Bereich urteilt“.
In dem Fall verlangte ein bei einem Klinikbetreiber beschäftigter IT-Sachbearbeiter nach drei Jahren als Leiharbeiter eine Festanstellung und die Zahlung der Lohndifferenz zur Stammbelegschaft. Der Klinikbetreiber hat selber ein Leiharbeitsunternehmen und überlässt dem Krankenhaus seine Mitarbeiter. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied vor rund einem Jahr zugunsten des Klägers – die höhere Instanz aus Erfurt verneinte nun den Anspruch des Leiharbeiters.
Zentral ist, ob eine Erlaubnis vorhanden ist
Wenn ein Unternehmen Leiharbeiter einsetzen möchte, braucht es hierzu eine Erlaubnis. Arbeitsrechtlerin Nathalie Oberthür: „Das Gericht hätte anders entscheiden können, doch bedarf es hierfür schon einiges an argumentativem Aufwand.“ In dem verhandelten Fall habe es eine solche Erlaubnis gegeben, „und das Gesetz sagt, ein konstruiertes Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher gibt es nur, wenn keine Erlaubnis vorliegt.“ Eine andere Auslegung des Gerichts wäre also möglich gewesen – „aber zwingend war das hier nicht“, so Oberthür.
Die Entscheidung wurde mit Spannung erwartet, es drohten ebenso eine Klagewelle anderer Leiharbeiter, wie existenzbedrohende Folgen für Unternehmen, die eine Vielzahl an Leiharbeitern beschäftigen.
Gesetzesänderungen sind in den kommenden Jahren wahrscheinlich
Unter Rot-Grün ist im Jahr 2003 zunächst eine zeitliche Beschränkung der Überlassungsdauer weggefallen, der Arbeitsmarkt sollte so flexibler gemacht werden. Seit 2011 sollen Leiharbeiter nun also nur noch „vorübergehend“ eingesetzt werden. Das BAG hat sich zum Begriff „vorübergehend“ nicht geäußert. „Sie haben bewusst nicht festgelegt, wie der Begriff vorübergehen auszulegen ist, da es hierauf nicht ankam", so Oberthür. Es ging um die bestehende Erlaubnis.
Im – noch nicht abschließend verabschiedeten – Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und der SPD steht geschrieben, dass die Leiharbeit künftig stärker reguliert werden soll. Auf 18 Monate soll die Überlassung von Arbeitnehmern an eine Leiharbeitsfirma begrenzt werden, nach neun Monaten soll bereits die gleiche Bezahlung für Leiharbeiter und Stammbelegschaft gelten. In Gesetzestextform liegen diese Passagen freilich noch nicht vor, doch rechnet Nathalie Oberthür vom DAV damit, dass das Vorhaben umgesetzt werden wird.
In Deutschland gibt es mehr als 11.500 Zeitarbeitsfirmen, die wiederum etwa zwei Prozent der arbeitenden Bevölkerung beschäftigen: In den vergangenen Jahren ist die Zahl von Leiharbeitern in Deutschland von 300.000 im Jahr 2003 auf aktuell etwa 780.000 Arbeitnehmer gestiegen, die bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.06.2014
- Autor
- red/dpa