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Entscheidung in Erfurt

Leiharbeit - nicht nur auf Zeit

Ein fester Platz im Büro? Für Leiharbeiter kann das auch nach Jahren ein Wunsch bleiben. © Quelle: Prince/ corbisimages.com

Das Bundes­ar­beits­gericht hat entschieden, dass Leihar­beit­nehmer auch nach Jahren in einem Unternehmen nicht automatisch einen Anspruch auf Festan­stellung haben. Was das Urteil bedeutet und wie die Politik reagieren könnte: Die deutsche Anwalt­auskunft hat nachgefragt.

Der Dauereinsatz von Leihar­beitern in Unternehmen muss nicht automatisch in eine Festan­stellung münden, hat das Bundes­ar­beits­gericht (BAG) in Erfurt am Dienstag entschieden. Das Urteil wurde mit Spannung erwartet – und wird Leihar­beiter womöglich enttäuschen.

Im Zentrum des Verfahrens stand die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes von Ende 2011, nach dem der Einsatz von Zeitarbeitern nur noch „vorübergehend“ erfolgen darf, wie es seit einer Gesetzesänderung vor zwei Jahren heißt. Was „vorübergehend“ bedeutet, wurde durch die damalige schwarz-gelbe Regierung indes nicht konkretisiert – und auch die Erfurter Richter haben den Zeitraum nicht näher bestimmt. Zwar pochte das Gericht darauf, das Gesetz einzuhalten – wenn ein Unternehmen gegen dieses Dauereinsatzverbot aber verstoße, hätten Zeit- oder Leiharbeiter dennoch keinen Anspruch auf eine Festanstellung (AZ: 9 AZR 51/13).

Experte überrascht das Urteil nicht

 In der Presse­mit­teilung des BAG zur Entscheidung heißt es: „Der Gesetzgeber habe bei einer Arbeit­neh­mer­über­lassung, die mehr als nur vorüber­gehend sei, bewusst nicht angeordnet, dass daraus ein Anspruch auf ein Arbeits­ver­hältnis entstehe.“ Und mögliche Sanktionen obliegen „dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten für Arbeits­sachen“. Dr. Nathalie Oberthür von der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV) überrascht das Urteil nicht allzu sehr, auch wenn „das Bundes­ar­beits­gericht sonst schon sehr arbeit­neh­mer­freundlich in diesem Bereich urteilt“.

In dem Fall verlangte ein bei einem Klinik­be­treiber beschäf­tigter IT-Sachbe­ar­beiter nach drei Jahren als Leihar­beiter eine Festan­stellung und die Zahlung der Lohndif­ferenz zur Stammbe­leg­schaft. Der Klinik­be­treiber hat selber ein Leihar­beits­un­ter­nehmen und überlässt dem Krankenhaus seine Mitarbeiter. Das Landes­ar­beits­gericht Baden-Württemberg entschied vor rund einem Jahr zugunsten des Klägers – die höhere Instanz aus Erfurt verneinte nun den Anspruch des Leihar­beiters.

Zentral ist, ob eine Erlaubnis vorhanden ist

Wenn ein Unternehmen Leihar­beiter einsetzen möchte, braucht es hierzu eine Erlaubnis. Arbeits­rechtlerin Nathalie Oberthür: „Das Gericht hätte anders entscheiden können, doch bedarf es hierfür schon einiges an argumen­tativem Aufwand.“ In dem verhan­delten Fall habe es eine solche Erlaubnis gegeben, „und das Gesetz sagt, ein konstru­iertes Arbeits­ver­hältnis mit dem Entleiher gibt es nur, wenn keine Erlaubnis vorliegt.“ Eine andere Auslegung des Gerichts wäre also möglich gewesen – „aber zwingend war das hier nicht“, so Oberthür.

Die Entscheidung wurde mit Spannung erwartet, es drohten ebenso eine Klagewelle anderer Leihar­beiter, wie existenz­be­drohende Folgen für Unternehmen, die eine Vielzahl an Leihar­beitern beschäftigen. 

Gesetzes­än­de­rungen sind in den kommenden Jahren wahrscheinlich

Unter Rot-Grün ist im Jahr 2003 zunächst eine zeitliche Beschränkung der Überlas­sungsdauer weggefallen, der Arbeitsmarkt sollte so flexibler gemacht werden. Seit 2011 sollen Leihar­beiter nun also nur noch „vorüber­gehend“ eingesetzt werden. Das BAG hat sich zum Begriff „vorüber­gehend“ nicht geäußert. „Sie haben bewusst nicht festgelegt, wie der Begriff vorübergehen auszulegen ist, da es hierauf nicht ankam", so Oberthür. Es ging um die bestehende Erlaubnis.

Im – noch nicht abschließend verabschiedeten – Koaliti­ons­vertrag zwischen den Unions­parteien und der SPD steht geschrieben, dass die Leiharbeit künftig stärker reguliert werden soll. Auf 18 Monate soll die Überlassung von Arbeit­nehmern an eine Leihar­beitsfirma begrenzt werden, nach neun Monaten soll bereits die gleiche Bezahlung für Leihar­beiter und Stammbe­leg­schaft gelten. In Gesetzes­textform liegen diese Passagen freilich noch nicht vor, doch rechnet Nathalie Oberthür vom DAV damit, dass das Vorhaben umgesetzt werden wird.

In Deutschland gibt es mehr als 11.500 Zeitar­beits­firmen, die wiederum etwa zwei Prozent der arbeitenden Bevölkerung beschäftigen: In den vergangenen Jahren ist die Zahl von Leihar­beitern in Deutschland von 300.000 im Jahr 2003 auf aktuell etwa 780.000 Arbeit­nehmer gestiegen, die bei Zeitar­beits­firmen beschäftigt sind.

Datum
Aktualisiert am
27.06.2014
Autor
red/dpa
Bewertungen
209
Themen
Arbeit­nehmer Arbeitsplatz Gericht

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