
Das gilt für Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt erkrankt sind. Kündigt in solchen Fällen der Arbeitgeber aufgrund der erkrankungsbedingten Fehlzeit, muss er zuvor im Rahmen des BEM den Versuch machen, Perspektiven für den künftigen Einsatz des Mitarbeiters auszuloten. Tut er dies nicht, muss er ausführlich schildern, warum dies nicht möglich ist.
Behauptung, es gäbe keine betriebliche Anpassungsmöglichkeit, zählt nicht
Er muss darlegen, warum der Arbeitnehmer auf seinem Arbeitsplatz nicht weiter beschäftigt werden kann, ein Einsatz nach leidensgerechter Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist und warum ein Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz nicht in Betracht komme. Er darf also nicht einfach nur behaupten, dass keine betrieblichen Anpassungsmöglichkeiten existieren. Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und verweist auf eine entsprechende Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Oktober 2015 (AZ: 28 Ca 9065/15).
Der Arbeitgeber kündigte einem Mitarbeiter, der aufgrund einer Krebserkrankung länger als ein Jahr arbeitsunfähig erkrankt war. Als Begründung nannte das Unternehmen die lange Fehlzeit und die dadurch entstehenden Kosten. In dem Kündigungsschreiben heißt es unter anderem: „Eine alternative, Ihren Fähigkeiten und Gesundheitszustand entsprechende Position in unserer Firma steht nicht zur Verfügung.“
Arbeitgeber muss nachweisen, dass eine Anpassung nicht möglich ist
Der Mann wehrte sich gegen die Kündigung – und das Gericht gab ihm Recht. Die Kündigung sei unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam. Der Arbeitgeber habe im Rahmen des BEM nicht ausreichend geprüft, ob der Mitarbeiter auf seinem Arbeitsplatz nicht hätte weiterbeschäftigt werden können.
Das Gericht wies darauf hin, dass eine Kündigung nicht schon allein deswegen unwirksam sei, weil der Arbeitgeber bei seinem Vorgehen Defizite gezeigt habe. Allerdings müsse er dann umfassend darlegen und nachweisen, warum er nicht in der Lage sei, dem Mitarbeiter eine Zukunftsperspektive zu bieten.
Im vorliegenden Fall stelle das Unternehmen gar nicht in Abrede, „ein betriebliches Eingliederungsmanagement schlichtweg unterlassen“ zu haben. Stattdessen habe der Arbeitgeber, so das Gericht, seine subjektiven, einseitigen Annahmen über die gesundheitlichen und betrieblichen Perspektiven des Mitarbeiters aneinander gereiht, ohne auch nur zu versuchen, diese Annahmen auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Das sei nun aber gerade nicht der Sinn des Eingliederungsmanagements. Man könne dieses im Gegenteil als „organisierten Suchprozess“ beschreiben, also als die organisierte Suche nach Lösungen.
Zu diesem Suchprozess gehörte das Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, möglicherweise unter Einbeziehung von externem Sachverstand. Zudem müsse es einen stufenweisen Wiedereingliederung des Arbeitnehmers im Rahmen des „Hamburger Modells“ geben. Der Arbeitgeber müsse mögliche Änderungen der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte ebenso prüfen wie eine mögliche Umgestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit.
Nach Wiedereingliederung: Muss man weiter im Schichtdienst arbeiten?
Das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz beschäftigte sich mit dem Falle eines Mannes, der seit 1990 bei einem Unternehmen beschäftigt ist, das Verpackungen herstellt. Er arbeitet als Maschinenführer in der Kleberabteilung. Nachdem er länger krank gewesen war, unter anderem wegen eines Burn-out-Syndroms, verlangte er nach einer Wiedereingliederungsmaßnahme, ausschließlich in der Tagesschicht/Frühschicht beschäftigt zu werden. Während der Wiedereingliederung war eigens für ihn die Möglichkeit geschaffen worden, in einer ansonsten nicht existierenden Tagschicht zu arbeiten.
Der Kläger begründete seinen Wunsch damit, dass er unter erheblichen Depressionen und Schlafstörungen leide. Daher brauche er einen geregelten Arbeitsablauf, was den Einsatz in der Spätschicht ausschließe.
Der Chef räumte ihm diese Möglichkeit nicht ein. Nach Befragung von Betriebsrat und Kollegen lehnten diese aus familiären Gründen ab, dann vermehrt die Spätschichten zu übernehmen. Der Vorgesetzte bot dem Kläger eine Tätigkeit in einem nachgeordneten Bereich an, die dieser jedoch ablehnte.
Die Klage des Mannes scheiterte in zwei Instanzen. Der Arbeitnehmer könne nicht verlangen, nicht mehr in der Spät- oder Nachtschicht eingesetzt zu werden, wenn betriebsbedingte Gründe dagegen sprechen. Das entschied das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz am 17. November 2016 (AZ: 7 Sa 150/16). Zwar sei ein Unternehmer verpflichtet, einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, so das Gericht. Um den Betriebsfrieden zu wahren, habe der Arbeitgeber dem Kläger nicht ermöglichen können, ausschließlich in der Frühschicht zu arbeiten.
- Datum
- Aktualisiert am
- 14.08.2018
- Autor
- Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht,dpa/red