Ein volltrunkener Mensch im Clownskostüm torkelt mitten am Tag laut singend durch die Stadt und verteilt Küsschen an jeden, der ihm über den Weg läuft. Eine solche Szene löst normalerweise Befremden oder gar einen Polizeieinsatz aus – zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch ist sie ganz normal, zumindest am Rhein. Der Reiz von Karneval und Fassnacht liegt darin, dass alltägliche Regeln gebrochen werden. Der ungezügelte Frohsinn kommt aber nicht überall gut an – vor allem am Arbeitsplatz kann es kritisch werden. Die Deutsche Anwaltauskunft erklärt, was in der fünften Jahreszeit im Job erlaubt ist.
Darf ich an Karneval blau machen?
Weiberfastnacht, Rosenmontag und Faschingsdienstag – die wichtigsten Tage der Karnevalssaison liegen unter der Woche. Für überzeugte Karnevalisten zwar die höchsten Feiertage des Jahres, sind es rechtlich ganz normale Werktage – auch in Karnevalshochburgen wie Köln, Mainz und Düsseldorf. Einen Anspruch auf Urlaub gibt es nicht, weder bezahlt noch unbezahlt.
Wer unbeschwert durchfeiern möchte, sollte Urlaub beantragen – und das rechtzeitig. „Der Arbeitgeber muss Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zwar generell berücksichtigen, er kann sie aber auch ablehnen, wenn wichtige betrieblich Gründe dagegen sprechen“, sagt Rechtsanwältin Dr. Barbara Reinhard von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Ein solcher Grund kann auch darin liegen, dass bereits zu viele andere Kollegen an den Karnevalstagen im Urlaub sind.“
Wann darf ich der Arbeit fernbleiben, ohne Urlaub zu nehmen?
Unter bestimmten Umständen können Beschäftigen auch ohne Urlaubsantrag der Arbeit fernbleiben: Wenn ein Unternehmen zum Beispiel am Rosenmontag mehrere Jahre hintereinander allen Mitarbeitern vorbehaltslos frei gegeben hat, kann dies als „betriebliche Übung“ gelten. Die Arbeitnehmer können auch im nächsten Jahr davon ausgehen, dass sie an diesem Tag feiern gehen können.
„Eine Daumenregel ist: Wenn bei einem Arbeitgeber drei Mal hintereinander an einem bestimmten Tag nicht gearbeitet wird, geht die Rechtsprechung davon aus, dass es sich um eine dauerhafte Regelung handelt“, sagt Rechtsanwältin Reinhard vom DAV. Das gelte allerdings nicht, wenn der Chef ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich bei dem freien Tag um eine Ausnahme handelt und die Beschäftigten nicht mit einer Wiederholung im nächsten Jahr rechnen können.
Ein schlechter Rat für Karnevalisten ist, an den tollen Tagen eine Arbeitsunfähigkeit vorzutäuschen. „Wer sich ohne Grund krankschreiben lässt und dann beim Karnevalsumzug erwischt wird, riskiert eine Kündigung“, sagt die Arbeitsrechtlerin aus Frankfurt.
Ist Alkohol am Arbeitsplatz erlaubt?
Ein Schnäpschen im Büro kann die Stimmung erheblich steigern – allerdings senkt er in der Regel in gleichem Maß die Arbeitskraft. Der Arbeitgeber muss deshalb keine eindeutig betrunkenen Arbeitnehmer dulden und kann sie nach Hause schicken oder sogar abmahnen.
In manchen Betrieben ist Alkohol zudem generell verboten – zum Beispiel wenn es darum geht, Fahrzeuge und Maschinen zu führen. Bevor die feuchtfröhliche Polonäse ins Büro des Chefs startet, sollte man sich deshalb sicher sein, dass der Arbeitgeber an Karneval mit Blick auf Alkohol eine Ausnahme macht.
Darf ich verkleidet zur Arbeit gehen?
In vielen Büros der Karnevalshochburgen ist es in der „fünften Jahreszeit“ ein ganz gewöhnliches Bild: Ein Cowboy steht am Kopierer, ein Alien heftet Unterlagen ab und in der Kaffeeküche tratschen Teufel und Piraten. Viele Arbeitgeber haben an Karneval kein Problem mit verkleideten Angestellten im Büro. Ein Recht auf ein Kostüm haben Beschäftige aber nicht. „Der Arbeitgeber kann grundsätzlich eine Dienstkleidung oder einen bestimmten Kleidungsstil vorgeben“, sagt Rechtsanwältin Reinhard. Das betrifft vor allem Berufe, in denen seriöses Auftreten wichtig ist, zum Beispiel bei Banken. Ein Kostüm an Karneval kann der Arbeitgeber also untersagen.
Darf ich meinem Chef den Schlips abschneiden?
Wer in Köln oder Mainz an Weiberfastnacht eine Krawatte trägt, fordert das Schicksal heraus: Die Gefahr, Opfer eines Scherenangriffs der wilden Weiber zu werden, ist erheblich. Den Schlips des Chefs zu stutzen hat dabei einen besonderen Reiz.
Vor der Attacke auf das Anhängsel des Vorgesetzten sollten sich Närrinnen aber absolut sicher sein, dass dieser damit einverstanden ist. Andernfalls gilt das Abschneiden der Krawatte als ganz alltägliche Sachbeschädigung – selbst wenn es eine lokale Sitte ist. Diese Meinung vertrat auch das Amtsgericht Essen, dass 1988 der Klage des Kunden eines Reisebüros recht gab, dessen teurer Schlipps Opfer einer jecken Angestellten wurde (Az. 20 C 691/87).
„Arbeitsrechtliche Folgen kann die Attacke auf die Krawatten von Kollegen haben, wenn der Chef diesen Brauch ausdrücklich untersagt hat“, so die Arbeitsrechtlerin vom DAV. Um rechtliche Komplikationen zu vermeiden empfiehlt die Arbeitsrechtlerin allen Krawattenträgern, schon vorbeugend aktiv zu werden: „Am Arbeitsgericht in Düsseldorf habe ich an Weiberfastnacht selbst erlebt, dass die Männer ohne Krawatte zur Verhandlung kamen oder extra einen alten Schlipps trugen – sicher nicht die schlechteste Idee.“
Darf ich bei der Arbeit Karnevalsmusik hören?
Ein Anrecht darauf, Karnevalsmusik während der Arbeitszeit zu genießen, gibt es nicht; Chefs dürfen das untersagen. Ein wenig Toleranz müssen allerdings auch Vorgesetzte aufbringen. Ein Kündigungsgrund ist das Hören dieser Musik nicht, entschied das Landesarbeitsgericht Hessen (Urteil vom 16.6.1989; Az. 14 Sa 895/87).
Wann der Spaß aufhört – und es Zeit ist, zum Anwalt zu gehen
Sie haben sich an Rosenmontag krankgemeldet, wurden kerngesund beim Feiern erwischt und haben eine Abmahnung erhalten? Sie haben an Weiberfastnacht den teuren Schlipps des Chefs zerschnitten und er fordert Schadensersatz? Bei diesen und anderen arbeitsrechtlichen Problemen sollten Sie einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht kontaktieren. Eine Rechtsanwältin kann Sie zum richtigen Vorgehen beraten – an Fasching, Aschermittwoch und das ganze restliche Jahr hindurch. Einen kompetenten Ansprechpartner finden Sie in unserer Anwaltssuche.
- Datum
- Aktualisiert am
- 17.11.2016
- Autor
- pst/red