Zahlungs­un­fä­higkeit

Insolvenz und Unterneh­mens­sa­nierung: Welche Rechte haben Angestellte?

Rutscht ein Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit, wird der Betrieb möglicherweise, aber nicht zwangsläufig eingestellt. © Quelle: IGphotography/gettyimages.de

Meldet ein Unternehmen Insolvenz an, ist das für die Belegschaft meist ein Schock: Viele fürchten um ihre Arbeits­plätze, von denen womöglich die Existenz einer ganzen Familie abhängt. Für betroffene Angestellte gibt es jedoch gute Nachrichten: Wenn ein Betrieb Insolvenz anmeldet, bedeutet das nicht automatisch, dass das Unternehmen geschlossen wird. Es kann auch der Beginn einer Sanierung sein, die das Unternehmen finanziell langfristig auf ein sicheres Fundament stellt. Was Angestellte wissen sollten.

Sie ist nicht immer selbst verschuldet, hat für ein Unternehmen aber weitrei­chende Konsequenzen – Zahlungs­un­fä­higkeit beziehungsweise Insolvenz. Die Ursachen können falsche Entschei­dungen des Managements, eine veränderte Auftragslage oder die Insolvenz eines Auftrag­gebers sein. Unabhängig von der Ursache gilt: Eine Insolvenz und die oft folgende Unterneh­mens­sa­nierung geht für die Angestellten nicht immer so böse aus, wie es zunähst scheinen mag.

Zahlungs­unfähig? Unternehmen muss Insolvenz anmelden

Ist ein Unternehmen zahlungs­unfähig, ist der Unternehmer grundsätzlich dazu verpflichtet, Insolvenz anzumelden. Tut er das nicht, obwohl er seine Rechnung nicht mehr begleichen kann, macht er sich der Insolvenz­ver­schleppung schuldig – eine Straftat. „Sobald Lohnrück­stände bei den Mitarbeitern zu verzeichnen sind, ist das ein Alarmsignal, dass der Arbeitgeber seine Rechnungen offensichtlich nicht mehr zahlen kann“, sagt Rechts­an­wältin Anna Kuleba, Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Die Belegschaft sie schließlich für den Betrieb meist unersetzlich, die Löhne zählten in der Folge zu den wichtigsten Aufwen­dungen.

Schlecker-Insolvenz: Ehemaliger Inhaber angeklagt

Die Insolvenz der Drogeriekette Schlecker ist rund fünf Jahre her und hat mehr als 20.000 Angestellte ihren Arbeitsplatz gekostet. Nun muss sich Anton Schlecker, der ehemalige Inhaber der Kette, wegen betrüge­rischen Bankrotts vor Gericht verant­worten. Schlecker wird vorgeworfen, Vermögen beiseite geschafft zu haben, um es seinen Gläubigern vorzuent­halten.

Meike und Lars Schlecker, seine beiden Kinder, sind wegen Untreue und Insolvenz­ver­schleppung angeklagt. Sie sind Geschäfts­führer des Logistik­un­ter­nehmens LDG, das sie um große Geldbeträge betrogen haben sollen. Außerdem wird ihnen Steuer­hin­ter­ziehung in Millio­nenhöhe und Beihilfe zur Insolvenz vorgeworfen. Anton Schlecker droht eine mehrjährige Haftstrafe, wenn er verurteilt wird. In diesem Fall ist es auch möglich, dass die Gläubiger des Unternehmens noch Geld erhalten – dazu gehören auch die ehemaligen Angestellten.

Insolvenz: Schließung oder Unterneh­mens­sa­nierung

Wie es für die Angestellten eines Unternehmens weitergeht, hängt maßgeblich davon ab, ob das insolvente Unternehmen seinen Betrieb komplett einstellt, oder ob es durch eine Unterneh­mens­sa­nierung – einer Art wirtschaft­licher Entschla­ckungskur – wieder auf die Beine kommen soll.

„Die Mitarbeiter haben natürlich auch ein Recht, über den Verlauf des Insolvenz­ver­fahrens und ihre Lohnan­sprüche informiert zu werden“, sagt Rechts­an­wältin Kuleba. Das sei Aufgabe der Geschäfts­leitung und ergänzend auch der Insolvenz­ver­walter, die dazu Betriebs­ver­samm­lungen einberufen würden.

Schließung des Betriebs: Kündigung der Mitarbeiter

Wird der Betrieb eingestellt, fallen die Arbeits­plätze natürlich weg. Der Insolvenz­ver­walter kann dann sämtlichen Arbeit­nehmern mit einer Höchstfrist von nur drei Monaten kündigen – und zwar unabhängig davon, wie lange das Arbeits­ver­hältnis vorher bestanden hat. „Gleich­zeitig kann er alle Mitarbeiter bei Bedarf sofort von der Arbeits­leistung freistellen, weil in dem eingestellten Betrieb keine Beschäf­ti­gungs­mög­lich­keiten mehr bestehen“, fügt die Rechts­an­wältin hinzu.

Insolvenzgeld fängt ausstehende Gehälter auf

Stehen noch Lohn- und Gehalts­zah­lungen aus, werden diese vom Insolvenzgeld aufgefangen. Den Nettolohn- oder Gehalts­an­spruch für die rückständigen Löhne und Gehälter von bis zu drei Monaten vor Insolvenz­er­öffnung – beziehungsweise dem Ausscheiden des Arbeit­nehmers aus dem Arbeits­ver­hältnis oder der Abweisung des Insolvenz­er­öff­nungs­an­trages mangels Masse – sichert das Insolvenzgeld.

Das Geld stammt aus der Insolvenz­geld­ver­si­cherung – eine öffentlich-rechtliche Versicherung, in die sämtliche Arbeitgeber der Bundes­re­publik im Rahmen eines Umlage­ver­fahrens einzahlen. Dieser Betrag fließt in einen „gesonderten Topf“ bei der Agentur für Arbeit. Kommt es in einem Unternehmen zu einer Krise, sind die Löhne und Gehälter zu 100 Prozent netto durch die Agentur für Arbeit gesichert.

Dass die Agentur für Arbeit das Geld zahlt, bedeutet allerdings nicht, dass es sich um Arbeits­lo­sengeld handelt. Es ist lediglich eine Absicherung für Angestellte in laufenden oder auch schon gekündigten Arbeits­ver­hält­nissen bei einem insolventen Arbeitgeber.

Lohnrückstand von mehr als drei Monaten: Lohnausfälle möglich

Schwieriger für Arbeit­nehmer kann es werden, wenn das Unternehmen erst dann Insolvenz anmeldet, wenn der Lohnrückstand mehr als drei Monate beträgt. Denn das Insolvenzgeld fängt nur die Ausstände für die Rahmenfrist von drei Monaten auf.

Für weiter als drei Monate rückständige Lohnzah­lungen zählen Arbeit­nehmer zu den einfachen Insolvenz­gläu­bigern. Sie erhalten ihre ausste­henden Gelder dann erst nach dem Ende des Insolvenz­ver­fahrens – und auch nur zu einem bestimmten Anteil. Im Durchschnitt sind das fünf bis zehn Prozent, nur in Einzel­fällen fallen die Zahlungen höher aus.

Für Arbeit­nehmer kann das fatal sein. „Auch vor diesem Hintergrund ist es sehr wichtig, dass Arbeitgeber und Unternehmen sich frühzeitig insolvenz­rechtlich beraten lassen und, falls notwendig, eine Insolvenz einleiten“, informiert die Rechts­an­wältin aus Osnabrück. Um die Gläubiger und das Unternehmen zu schützen, sei das unabdingbar.

Unterneh­mens­sa­nierung: Nicht zwangs­läufig Kündigungen

Wenn die Chancen gut sind, dass das Unternehmen wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen kann, wird es saniert. Das Unternehmen wird dann zwar fortgeführt, aber umstruk­turiert. Bei einer Unterneh­mens­sa­nierung drohen in der Regel keine Kündigungen – allerdings nur, solange alle Mitarbeiter ausgelastet sind und für die Betriebs­fort­führung benötigt werden.

„Es kann allerdings auch eine Ursache für die Insolvenz gewesen sein, dass der Betrieb zu viele Mitarbeiter beschäftigt. Womöglich konnten sie aufgrund von gesetz­lichen oder vertrag­lichen Regelungen nicht entlassen werden“, sagt Rechts­an­wältin Kuleba. Im Falle einer Insolvenz sei es für den Arbeitgeber leichter, Mitarbeiter zu entlassen.

Unterneh­mens­sa­nierung in der Regel kein Einfluss auf Gehälter

An den Arbeits­ver­hält­nissen, die weiter­geführt werden, ändert die Insolvenz grundsätzlich nichts. Das bedeutet: Die Löhne und sonstigen Leistungen müssen weiter gezahlt werden, wie sie vertraglich vereinbart sind. Von welchem Geld diese gezahlt werden, und ob die Angestellten sie in vollem Umfang erhalten, hängt vom Zeitpunkt ab, an dem die Insolvenz eröffnet wird.

Das Insolvenzgeld sichert ausstehende Löhne und Gehälter für die Dauer von drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenz­ver­fahrens. Nach Ablauf der drei Monate müssen die Mitarbeiter wieder vom Unternehmen bezahlt werden. „Die Mitarbeiter und ihre Arbeits­leistung werden für die Betriebs­fort­führung dringend gebraucht, sodass die Löhne und Gehälter sicher­zu­stellen sein werden“, erklärt Anna Kuleba.

Fazit: Auch bei Insolvenz Chancen für Arbeit­nehmer Meldet der Arbeitgeber Insolvenz an, bedeutet das für Arbeit­nehmer nicht zwangs­läufig, dass sie entlassen werden oder mit weniger Gehalt rechnen müssen. Wird der Betrieb weiter­geführt, müssen die Mitarbeiter auch nicht entlassen werden, solange ihre Arbeits­leistung für den Betrieb wichtig ist. Ausstehende Löhne und Gehälter fängt das Insolvenzgeld für einen Zeitraum von drei Monaten auf.

Fragen zu Insolvenz und Unterneh­mens­sa­nierung: Anwaltlich beraten lassen

Ihr Arbeitgeber zahlt seit Monaten keinen Lohn und Sie möchten dagegen vorgehen? Durchläuft Ihr Arbeitgeber eine Unterneh­mens­sa­nierung und Sie fürchten um Ihren Arbeitsplatz? Oder sind Sie selbst Unternehmer und können Ihre Rechnungen nicht mehr zahlen?

Lassen Sie sich von einem Anwalt beraten und erklären, welche Rechte Sie haben und wie Sie weiter vorgehen sollen. Hier finden Sie eine Rechts­an­wältin oder einen Rechts­anwalt für Insolvenzrecht in Ihrer Nähe.