
Sie ist nicht immer selbst verschuldet, hat für ein Unternehmen aber weitreichende Konsequenzen – Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Insolvenz. Die Ursachen können falsche Entscheidungen des Managements, eine veränderte Auftragslage oder die Insolvenz eines Auftraggebers sein. Unabhängig von der Ursache gilt: Eine Insolvenz und die oft folgende Unternehmenssanierung geht für die Angestellten nicht immer so böse aus, wie es zunähst scheinen mag.
Zahlungsunfähig? Unternehmen muss Insolvenz anmelden
Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig, ist der Unternehmer grundsätzlich dazu verpflichtet, Insolvenz anzumelden. Tut er das nicht, obwohl er seine Rechnung nicht mehr begleichen kann, macht er sich der Insolvenzverschleppung schuldig – eine Straftat. „Sobald Lohnrückstände bei den Mitarbeitern zu verzeichnen sind, ist das ein Alarmsignal, dass der Arbeitgeber seine Rechnungen offensichtlich nicht mehr zahlen kann“, sagt Rechtsanwältin Anna Kuleba, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV). Die Belegschaft sie schließlich für den Betrieb meist unersetzlich, die Löhne zählten in der Folge zu den wichtigsten Aufwendungen.
Schlecker-Insolvenz: Ehemaliger Inhaber angeklagt
Die Insolvenz der Drogeriekette Schlecker ist rund fünf Jahre her und hat mehr als 20.000 Angestellte ihren Arbeitsplatz gekostet. Nun muss sich Anton Schlecker, der ehemalige Inhaber der Kette, wegen betrügerischen Bankrotts vor Gericht verantworten. Schlecker wird vorgeworfen, Vermögen beiseite geschafft zu haben, um es seinen Gläubigern vorzuenthalten.
Meike und Lars Schlecker, seine beiden Kinder, sind wegen Untreue und Insolvenzverschleppung angeklagt. Sie sind Geschäftsführer des Logistikunternehmens LDG, das sie um große Geldbeträge betrogen haben sollen. Außerdem wird ihnen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Beihilfe zur Insolvenz vorgeworfen. Anton Schlecker droht eine mehrjährige Haftstrafe, wenn er verurteilt wird. In diesem Fall ist es auch möglich, dass die Gläubiger des Unternehmens noch Geld erhalten – dazu gehören auch die ehemaligen Angestellten.
Insolvenz: Schließung oder Unternehmenssanierung
Wie es für die Angestellten eines Unternehmens weitergeht, hängt maßgeblich davon ab, ob das insolvente Unternehmen seinen Betrieb komplett einstellt, oder ob es durch eine Unternehmenssanierung – einer Art wirtschaftlicher Entschlackungskur – wieder auf die Beine kommen soll.
„Die Mitarbeiter haben natürlich auch ein Recht, über den Verlauf des Insolvenzverfahrens und ihre Lohnansprüche informiert zu werden“, sagt Rechtsanwältin Kuleba. Das sei Aufgabe der Geschäftsleitung und ergänzend auch der Insolvenzverwalter, die dazu Betriebsversammlungen einberufen würden.
Schließung des Betriebs: Kündigung der Mitarbeiter
Wird der Betrieb eingestellt, fallen die Arbeitsplätze natürlich weg. Der Insolvenzverwalter kann dann sämtlichen Arbeitnehmern mit einer Höchstfrist von nur drei Monaten kündigen – und zwar unabhängig davon, wie lange das Arbeitsverhältnis vorher bestanden hat. „Gleichzeitig kann er alle Mitarbeiter bei Bedarf sofort von der Arbeitsleistung freistellen, weil in dem eingestellten Betrieb keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr bestehen“, fügt die Rechtsanwältin hinzu.
Insolvenzgeld fängt ausstehende Gehälter auf
Stehen noch Lohn- und Gehaltszahlungen aus, werden diese vom Insolvenzgeld aufgefangen. Den Nettolohn- oder Gehaltsanspruch für die rückständigen Löhne und Gehälter von bis zu drei Monaten vor Insolvenzeröffnung – beziehungsweise dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis oder der Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrages mangels Masse – sichert das Insolvenzgeld.
Das Geld stammt aus der Insolvenzgeldversicherung – eine öffentlich-rechtliche Versicherung, in die sämtliche Arbeitgeber der Bundesrepublik im Rahmen eines Umlageverfahrens einzahlen. Dieser Betrag fließt in einen „gesonderten Topf“ bei der Agentur für Arbeit. Kommt es in einem Unternehmen zu einer Krise, sind die Löhne und Gehälter zu 100 Prozent netto durch die Agentur für Arbeit gesichert.
Dass die Agentur für Arbeit das Geld zahlt, bedeutet allerdings nicht, dass es sich um Arbeitslosengeld handelt. Es ist lediglich eine Absicherung für Angestellte in laufenden oder auch schon gekündigten Arbeitsverhältnissen bei einem insolventen Arbeitgeber.
Lohnrückstand von mehr als drei Monaten: Lohnausfälle möglich
Schwieriger für Arbeitnehmer kann es werden, wenn das Unternehmen erst dann Insolvenz anmeldet, wenn der Lohnrückstand mehr als drei Monate beträgt. Denn das Insolvenzgeld fängt nur die Ausstände für die Rahmenfrist von drei Monaten auf.
Für weiter als drei Monate rückständige Lohnzahlungen zählen Arbeitnehmer zu den einfachen Insolvenzgläubigern. Sie erhalten ihre ausstehenden Gelder dann erst nach dem Ende des Insolvenzverfahrens – und auch nur zu einem bestimmten Anteil. Im Durchschnitt sind das fünf bis zehn Prozent, nur in Einzelfällen fallen die Zahlungen höher aus.
Für Arbeitnehmer kann das fatal sein. „Auch vor diesem Hintergrund ist es sehr wichtig, dass Arbeitgeber und Unternehmen sich frühzeitig insolvenzrechtlich beraten lassen und, falls notwendig, eine Insolvenz einleiten“, informiert die Rechtsanwältin aus Osnabrück. Um die Gläubiger und das Unternehmen zu schützen, sei das unabdingbar.
Unternehmenssanierung: Nicht zwangsläufig Kündigungen
Wenn die Chancen gut sind, dass das Unternehmen wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen kann, wird es saniert. Das Unternehmen wird dann zwar fortgeführt, aber umstrukturiert. Bei einer Unternehmenssanierung drohen in der Regel keine Kündigungen – allerdings nur, solange alle Mitarbeiter ausgelastet sind und für die Betriebsfortführung benötigt werden.
„Es kann allerdings auch eine Ursache für die Insolvenz gewesen sein, dass der Betrieb zu viele Mitarbeiter beschäftigt. Womöglich konnten sie aufgrund von gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen nicht entlassen werden“, sagt Rechtsanwältin Kuleba. Im Falle einer Insolvenz sei es für den Arbeitgeber leichter, Mitarbeiter zu entlassen.
Unternehmenssanierung in der Regel kein Einfluss auf Gehälter
An den Arbeitsverhältnissen, die weitergeführt werden, ändert die Insolvenz grundsätzlich nichts. Das bedeutet: Die Löhne und sonstigen Leistungen müssen weiter gezahlt werden, wie sie vertraglich vereinbart sind. Von welchem Geld diese gezahlt werden, und ob die Angestellten sie in vollem Umfang erhalten, hängt vom Zeitpunkt ab, an dem die Insolvenz eröffnet wird.
Das Insolvenzgeld sichert ausstehende Löhne und Gehälter für die Dauer von drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach Ablauf der drei Monate müssen die Mitarbeiter wieder vom Unternehmen bezahlt werden. „Die Mitarbeiter und ihre Arbeitsleistung werden für die Betriebsfortführung dringend gebraucht, sodass die Löhne und Gehälter sicherzustellen sein werden“, erklärt Anna Kuleba.
Fazit: Auch bei Insolvenz Chancen für Arbeitnehmer Meldet der Arbeitgeber Insolvenz an, bedeutet das für Arbeitnehmer nicht zwangsläufig, dass sie entlassen werden oder mit weniger Gehalt rechnen müssen. Wird der Betrieb weitergeführt, müssen die Mitarbeiter auch nicht entlassen werden, solange ihre Arbeitsleistung für den Betrieb wichtig ist. Ausstehende Löhne und Gehälter fängt das Insolvenzgeld für einen Zeitraum von drei Monaten auf.
Fragen zu Insolvenz und Unternehmenssanierung: Anwaltlich beraten lassen
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- Datum
- Aktualisiert am
- 06.03.2017
- Autor
- vhe