
Stress mit dem Arbeitgeber kann vielerlei Gründe haben - eine Kündigung ist dabei ein Extremfall. Vor allem dann, wenn es womöglich Gründe gibt, die nicht mit der Begründung übereinstimmen. © Quelle: MartA-nez BanAs/gettyimages.de
Wer häufig zu spät zur Arbeit kommt, wichtige Termine verbummelt, unfreundlich zu Kunden ist oder seine Krankschreibung zu spät abgibt, muss aufpassen. Denn mit diesem Verhalten riskiert ein Arbeitnehmer unter Umständen, dass ihn der Vorgesetzte abmahnt. Zumindest könnte ein Arbeitgeber in diesem Verhalten eine grobe Verletzung des Arbeitsvertrages sehen, in dem sich der Beschäftigte schließlich dazu verpflichtet hat, eine bestimmte Arbeitsleistung zu erbringen und ordnungsgemäß zu arbeiten.
Allerdings kommt in der Arbeitswelt auch der umgekehrte Fall vor: Ein Arbeitgeber verletzt seine im Arbeitsvertrag definierten Pflichten gegenüber dem Beschäftigten. Dieser darf nach dem Arbeitsrecht den Arbeitgeber abmahnen. Eine Möglichkeit, die nur wenig bekannt ist, und Arbeitnehmer natürlich kaum nutzen.
Kann ein Arbeitnehmer wegen einer Krankheit abgemahnt werden?
Arbeitgeber können in einer Abmahnung nicht nur einen Grund, sondern mehrere Gründe nennen, wegen derer sie den Mitarbeiter abmahnen. Wichtig ist aber in jedem Fall: Die Gründe für eine Abmahnung müssen gewichtig sein, und sie müssen auf dem Verhalten des Beschäftigten beruhen. Arbeitnehmer dürfen daher nicht abgemahnt werden, wenn sie etwa – auch längere Zeit – krank sind. Denn für eine Krankheit sind Beschäftigte nicht selbst verantwortlich, sie können sie weder steuern noch willentlich etwas an ihrem körperlichen Zustand ändern.
Ist eine Abmahnung die Vorstufe zu einer Kündigung?
Abmahnungen müssen nicht zwangsläufig zu einer Kündigung führen – wenn der Beschäftigte das angemahnte Verhalten abstellt. Wenn er sein Verhalten allerdings nicht ändert und sich noch einmal das gleiche Verhalten „leistet“, dann kann eine Abmahnung durchaus die Vorstufe zu einer ordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sein (siehe weiter unten).
Allerdings müssen müssen das Verhalten des Beschäftigten und der Anlass zur Kündigung inhaltlich aber zusammenhängen. Das bedeutet: Ändert ein Beschäftigter sein Verhalten nach einer Abmahnung nicht, darf er nur wegen des wiederholten, gleichen Pflichtverstoßes gekündigt werden. Ein Beschäftigter darf also nicht wegen häufigem Zuspätkommen abgemahnt, aber wegen des Verbummelns eines Termins gekündigt werden.
Gibt es zeitliche Fristen für Abmahnungen?
Normalerweise mahnen Arbeitgeber kurz nach einem bestimmten Vorfall ab. Das müssten sie zumindest theoretisch aber nicht, denn Abmahnungen für bereits länger zurückliegendes Fehlverhalten sind möglich. Fristen gibt es nicht. Aber: „Je länger der Grund für die Abmahnung zurückliegt, desto mehr schwächt er sich ab“, sagt der Wiesbadener Rechtsanwalt Jakob T. Lange von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Welche Funktionen haben Abmahnung?
Mit einer Abmahnung weist ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter auf ein grobes Fehlverhalten hin und macht ihm deutlich, dass er mit seinem Verhalten eine Vertragsverletzung begeht.
Neben dieser Hinweisfunktion haben Abmahnungen auch eine Warnfunktion. Sie sollen den Beschäftigten etwa motivieren, sein Verhalten zu überdenken und zu ändern. „Abmahnungen machen deutlich, dass der Beschäftigte unter Umständen mit einer verhaltensbedingten Kündigung rechnen muss, wenn er sein Verhalten nicht ändert“, sagt der Rechtsanwalt Jakob T. Lange. Diese Warnung muss der Arbeitgeber sogar explizit in der Abmahnung formulieren, denn sie gehört zu den formalen Vorgaben, die Abmahnungen erfüllen müssen, um wirksam zu sein.
Daneben haben Abmahnungen auch eine dokumentarische Funktion, denn sie können in die Personalakte des Beschäftigten aufgenommen werden.
Kann ein Arbeitgeber auch mündlich abmahnen?
Ja, das ist möglich. Dabei unterscheiden sich mündliche und schriftliche Abmahnungen in ihren Zielen und möglichen rechtlichen Folgen für Arbeitnehmer nicht. Für Arbeitgeber haben mündliche Abmahnungen allerdings einen entscheidenden Nachteil: Landet etwa ein Streit um eine Abmahnung vor einem Arbeitsgericht, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er die formalen Kriterien für die Abmahnung erfüllt hat.
Welche formalen Vorgaben müssen Abmahnungen erfüllen?
Mündliche wie auch schriftliche Abmahnungen müssen rechtlich vorgegebene formale Kriterien erfüllen, um wirksam zu sein. Diese sollten Beschäftigte kennen, auch, um unterscheiden zu können, ob der Vorgesetzte in einer bestimmten Situation „nur“ rügt, Vorhaltungen macht oder tatsächlich abmahnt.
Bei den formalen Kriterien gilt: Der Arbeitgeber muss in einer Abmahnung das abgemahnte Fehlverhalten konkret, mit Datum und Uhrzeit, benennen. Auch muss er das Verhalten als Vertragsverstoß kennzeichnen und rügen. Als drittes formales Kriterium kommt hinzu, dass der Vorgesetzte den abgemahnten Beschäftigten dazu auffordern muss, diesen Verstoß künftig zu unterlassen und er muss deutlich machen, dass der Beschäftigte das Arbeitsverhältnis gefährdet, wenn er das abgemahnte Verhalten wiederholt.
Was ist eine Ermahnung?
Ermahnungen gelten als die weiche Variante der Abmahnung. Ein Arbeitgeber ermahnt dann, meist in schriftlicher Form, wenn er einem Beschäftigten seinen Unmut über ein bestimmtes Verhalten mitteilen, ihn aber noch nicht abmahnen will. Rechtlich gesehen hat eine Ermahnung keine unmittelbaren Folgen.
Muss ein Arbeitgeber immer erst abmahnen, bevor er einem Arbeitnehmer kündigt?
Mitarbeiter müssen für ein Fehlverhalten erst abgemahnt werden, bevor ihnen der Arbeitgeber deshalb aus verhaltensbedingten Gründen kündigen kann. Allerdings gilt auch: „Bei besonders schweren und gravierenden Vertragsverletzungen wie zum Beispiel Straftaten gegenüber dem Arbeitgeber kann dieser eine fristlose Kündigung aussprechen, ohne vorher abgemahnt zu haben“, sagt Rechtsanwalt Jakob T. Lange. Denn zum Beispiel ein Diebstahl am Arbeitsplatz kann das Vertrauen zwischen Chef und Beschäftigtem nachhaltig und endgültig zerstören, so dass eine weitere Zusammenarbeit ausgeschlossen ist.
Doch ganz so klar ist die Rechtslage bei der Frage der Abmahnung vor einer fristlosen Kündigung derzeit nicht. Das hat zum Beispiel der bundesweit viel diskutierte Fall der Berliner Kassiererin Emmely gezeigt. Dabei entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2010, dass der Arbeitgeber Emmely hätte abmahnen müssen, bevor er sie kündigte. Das gebiete die Verhältnismäßigkeit (AZ: 2 AZR 541/09).
Weit denkwürdiger war ein Urteil, dass das BAG 2014 zum Thema Abmahnung vor fristloser Kündigung wegen einer Straftat verkündete. Die Richter am Bundesarbeitsgericht urteilten in diesem Fall: Der Arbeitgeber hätte einem Mitarbeiter, der eine Kollegin sexuell belästigt hatte, abmahnen müssen, bevor er ihm fristlos kündigte (AZ: 2 AZR 651/13).
Arbeitszeitbetrug: Ordentliche Kündigung ohne Abmahnung möglich
In bestimmten Fällen kann der Arbeitnehmer auch ordentlich kündigen, ohne den Mitarbeiter vorher abzumahnen. In dem Fall, über den die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV informiert, ging es um einen Betriebsleiter in der Systemgastronomie. Er war unter anderem für die Umsetzung der Betriebsabläufe, Inventuren, Abrechnungen, das Kassenbuch und sonstige kaufmännische Angelegenheiten verantwortlich. Zudem hatte er disziplinarische Verantwortung für das Personal.
Im Februar 2016 kündigte ihm sein Arbeitgeber fristgerecht zum 30. Juni 2016. Der Mitarbeiter habe in den monatlichen Stundenlisten für sich selbst Arbeitszeiten aufgeführt, zu denen er nachweislich nicht gearbeitet habe. Er wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage, allerdings ohne Erfolg: Wie bereits das Arbeitsgericht wies auch das Landesarbeitsgericht seine Klage ab. Die Kündigung durch den Arbeitgeber sei aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 9. August 2017; AZ: 4 Sa 12/17).
Verstoße ein Arbeitnehmer gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, sei dies grundsätzlich ein Grund für eine Kündigung. Mit der Pflichtverletzung sei ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber verbunden. Dieser sei dann auch nicht verpflichtet, den Mitarbeiter zunächst abzumahnen.
Muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung mehrmals abmahnen?
„Wie oft der Arbeitgeber abmahnen muss bevor er kündigt, hängt von der Schwere der Vertragsverletzung ab“, betont der Rechtsanwalt Jakob T. Lange. „Hier kommt es auf den Einzelfall und auch die Verhältnismäßigkeit an.“ Klar ist aber, dass ein Arbeitgeber das gleiche Fehlverhalten nicht immer mehrfach abmahnen muss, unter Umständen reicht schon eine Abmahnung, um gekündigt zu werden.
Abmahnung: Ist eine Anhörung des Arbeitnehmers nötig?
Hier lautet die Antwort: Für eine wirksame Abmahnung ist eine Anhörung des Arbeitnehmers nicht notwendig.
Wann muss eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden?
Abmahnungen werden in der Regel in die Personalakte des Beschäftigten eingetragen. Nur bei einer unberechtigten Abmahnung kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sie aus seiner Akte entfernt wird. Enthalten Abmahnungen mehrere Gründe, von denen nur einige unberechtigt sind, muss dennoch die komplette Abmahnung aus der Akte entfernt werden.
Berechtigte Abmahnungen verlieren im Laufe der Zeit ihre Bedeutung, vor allem wenn sich der Beschäftigte kein neues Fehlverhalten hat zuschulden kommen lassen. „Nach der Rechtsprechung ist es so, dass Abmahnung nach etwa zwei bis drei Jahren ihre Wirkung verlieren. Es kommt aber auch hier auf den Einzelfall an“, sagt Rechtsanwalt Lange.
Was kann ein Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung tun?
Ein abgemahnter Arbeitnehmer sollte zunächst überlegen, ob und wie er gegen eine Abmahnung vorgehen will. Sich gegen eine Abmahnung zu wehren, ist allerdings nur sinnvoll, wenn sie unberechtigt ist. Dabei ist es hilfreich, sich von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen.
Sollte sich ein Arbeitnehmer dafür entscheiden, gegen eine Abmahnung vorzugehen, stehen ihm etwa folgende Möglichkeiten offen: „Zunächst sollte man überprüfen, ob der Vorwurf des Arbeitgebers richtig oder falsch ist“, rät Rechtsanwalt Jakob T. Lange. Ist man der Ansicht, dass der Vorwurf falsch ist, kann man vor Gericht ziehen und verlangen, dass die Abmahnung aus der Personalakte komplett entfernt wird.
Vor dem Klageweg und völlig unabhängig von der Frage, ob der Inhalt der Abmahnung zutrifft oder nicht, kann der Beschäftigte durchsetzen, dass auch seine Interpretation des abgemahnten Verhaltens in die Personalakte aufgenommen wird.
Fazit:
Eine Abmahnung im Arbeitsrecht hat verschiedene Funktionen. Unter anderem warnt sie einen Beschäftigten davor, sich noch einmal in einer bestimmten Weise zu verhalten. Wenn der Arbeitnehmer sein Verhalten ändert, bleibt es in der Regel bei der Abmahnung, eine Kündigung folgt nicht daraus. Anders sieht es aber aus, wenn ein Beschäftigter sein Verhalten nicht ändert. Das kann sein Arbeitsverhältnis durchaus gefährden.
- Datum
- Aktualisiert am
- 06.03.2019
- Autor
- ime,DAV