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Öffent­licher Dienst

Deutsches Tarifrecht verstößt nicht gegen Grundsatz der Freizü­gigkeit

Die Berufserfahrung hängt davon ab, in welche Entgeltgruppe Arbeitnehmer fallen. Lesen Sie hier, wann das kompliziert ist. © Quelle: DAV

Bei der Eingrup­pierung in die Entgelt­stufen bei öffent­lichen Arbeit­gebern differen­zieren die Landes­vor­schriften. So wird die durchgehende Treue zum (Landes-)Arbeitgeber belohnt – insbesondere bei der Anerkennung vorheriger Berufsjahre. Die Frage ist, ob dies mit europäischem Recht vereinbar ist.

Solche Differen­zie­rungen sind zulässig. Sie stehen auch nicht in Widerspruch zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der Arbeitgeber kann also eine höhere Einstufung vornehmen, wenn der Arbeit­nehmer vorher bereits bei dem Land durchgehend beschäftigt war. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landes­ar­beits­ge­richts Baden-Württemberg vom 18. Januar 2016 (AZ: 1 Sa 17/15), wie die Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mitteilt. Arbeit­ge­bertreue Mitarbeiter dürfen also begünstigt werden.

Begüns­tigung im Tarifvertrag für arbeit­ge­bertreue Mitarbeiter

Nach dem Tarifvertrag für den öffent­lichen Dienst der Länder bestimmt sich die Höhe des monatlichen Arbeits­entgelts einerseits nach der Entgelt­gruppe, in die der Beschäftigte eingruppiert ist, und andererseits nach seiner Berufs­er­fahrung. Verfügen Beschäftigte über einschlägige Berufs­er­fahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen Arbeits­ver­hältnis bei demselben Arbeitgeber (hier: das Land Baden-Württemberg), werden diese Zeiten voll angerechnet.

Ist die einschlägige Berufs­er­fahrung in einem Arbeits­ver­hältnis bei einem anderen Arbeitgeber erworben worden, so erfolgt eine niedrigere Anrechnung und entsprechend die Einordnung in eine niedrigere Entgelt­gruppe. Die Einkom­mens­un­ter­schiede können gravierend sein.

Der Diplom-Psychologe war nach seiner wissen­schaft­lichen Ausbildung mehr als elf Jahre als Psychologe bei verschiedenen privaten Trägern von Behinder­ten­ein­rich­tungen tätig gewesen. Am 1. Oktober 2011 nahm er eine Tätigkeit als Schulpsy­chologe beim Land auf. Unter teilweiser Anrechnung seiner vorherigen Berufs­er­fah­rungs­zeiten wurde er in die Entgelt­gruppe Stufe 3 eingruppiert. Wären seine Berufsjahre voll angerechnet worden, hätte es die Stufe 5 sein müssen. Der Gehalts­un­ter­schied macht monatlich immerhin nahezu 700 Euro brutto aus.

Anerkennung der gesamten Berufs­er­fahrung verlangt

Der Mann verlangte die Anerkennung seiner gesamten Berufs­er­fahrung und die Einstufung in die entspre­chende Stufe. Dabei berief er sich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einem Rechts­streit nach österrei­chischem Recht. Es verstoße gegen die Gewähr­leistung der Freizü­gigkeit der Arbeit­nehmer innerhalb der Union, wenn der öffentliche Arbeitgeber die bei ihm absolvierten Dienst­zeiten in vollem Umfang, alle anderen Dienst­zeiten dagegen nur teilweise bei der Berechnung des Dienst­alters berück­sichtige (Urteil vom 05. Dezember 2013; AZ: C-514/12).

Mit Schreiben vom 4. August 2014 machte der Mann seine Einstufung in die Stufe 5 geltend. Das Land lehnte dieses Ansinnen ab. Daraufhin klagte der Mann und forderte die Zahlung der Differenz­beträge zur Stufe 5. Das Arbeits­gericht gab der Klage in vollem Umfang statt (Urteil vom 29. Juli 2015; AZ: 29 Ca 1319/15). Der Arbeitgeber legte Berufung ein.

Gericht: Differen­zierung erlaubt

Das Landes­ar­beits­gericht in Stuttgart änderte das Urteil des Arbeits­ge­richts ab und wies die Klage ab. Nach seiner Auffassung ist die entspre­chende Tarifnorm mit der Regelung des österrei­chischen Rechts, die Gegenstand des Urteils des Europäischen Gerichtshofs war, nicht vergleichbar. Anders als jene Regelung bevorzuge die deutsche Tarifnorm ausschließlich diejenigen Arbeit­nehmer, die – von einer Unterbre­chungszeit von maximal sechs Monaten abgesehen – durchgehend bei demselben Arbeitgeber ihre Berufs­er­fahrung erworben haben.

Die Tarifnorm solle damit die Arbeit­nehmer begünstigen, die sich arbeit­ge­bertreu verhalten. Dieses Ziel stelle einen anerken­nens­werten Grund für die vorgenommene Differen­zierung dar.

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DAV
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Arbeit­nehmer Europa Tarifvertrag

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