Der Mund trocken, die Hände schwitzig: Ein Bewerbungsgespräch macht die meisten Menschen nervös. Schließlich hat ein Bewerber nicht viel Zeit, sein Gegenüber von sich zu überzeugen. Warum gerade dieses Unternehmen, fragt der Personaler. Was ist Ihnen bei einem Arbeitgeber wichtig, will der potentielle Chef wissen. Und dann plötzlich eine seltsame Frage: „Sind Sie schwanger oder planen Sie ein Kind?“ Ja, in ein paar Jahren schon, denken Sie. Aber was geht das meinen zukünftigen Chef an? Und wichtiger: Verringert es nicht meine Einstellungschancen, wenn ich es zugebe?
„Was der mögliche Arbeitgeber fragen darf, lässt sich nicht pauschal beantworten“, sagt Johannes Schipp, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltverein (DAV). „Zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Frage muss ein sachlicher Zusammenhang bestehen.“ Der Arbeitgeber müsse ein berechtigtes Interesse an der Beantwortung der Frage haben. Das heißt: Zum Lebenslauf, den vorherigen Beschäftigungen oder zu berufsspezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten können Bewerber ohne Weiteres befragt werden.
Beruf muss beim Bewerbungsgespräch im Mittelpunkt stehen
Darüber hinaus muss der Bewerber im Vorstellungsgespräch nur Auskünfte geben, die für die künftige Tätigkeit relevant sind. Bewirbt sich eine Frau als Büroangestellte, muss sie eine Schwangerschaft nicht mitteilen. Möchte Sie aber als Lagerarbeiterin anfangen, dann ist das anders: Schließlich dürfen Schwangere nicht schwer heben. Ähnlich verhält es sich bei Vorstrafen. Wer als Kassierer arbeiten will, ist nicht verpflichtet, Verkehrsdelikte aus der Vergangenheit zu nennen – wohl aber frühere Diebstähle oder Unterschlagungen.
Sucht jemand einen Job als Chauffeur, verhält es sich umgekehrt. Arbeitsrechtler Schipp nennt ein weiteres Beispiel: „Nach einer Drogen- und Alkoholabhängigkeit wird man ebenfalls generell fragen dürfen. Hingegen ist die Frage nach bloßen Drogen- und Alkoholgewohnheiten unzulässig.“
AGG: Diskriminierende Fragen im Vorstellungsgespräch nicht erlaubt
Seit der Einführung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes im Jahr 2006 sind die Grenzen dessen, was im Vorstellungsgespräch gefragt werden darf, noch enger gezogen. Darin ist festgelegt: „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung“ sind nicht zulässig. Sie dürfen somit keine Rolle bei der Beurteilung von Bewerbern spielen und potenzielle Arbeitgeber demnach auch nicht danach fragen.
Bewerberinnen mit Kind etwa müssen es nicht akzeptieren, wenn der Chef sie im Vorstellungsgespräch zur Betreuung ausfragt. Auch wenn derlei Fragen üblich sind: Rechtlich zulässig seien sie nicht, erklärt Nathalie Oberthür. Die Rechtsanwältin ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV. Darin sei zum Beispiel ein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts zu sehen. Kommen Frauen in die Situation, dürften sie sogar lügen, ohne dass das arbeitsrechtliche Konsequenzen für sie hat.
Doch auch hier gibt es einige wenige Ausnahmen. „Wenn die CDU eine Stelle neu besetzt, darf sicherlich danach gefragt werden, ob der Bewerber Mitglied einer anderen politischen Partei ist“, sagt Johannes Schipp.
Lügen im Bewerbungsgespräch nur als letzte Option
Wie verhält man sich aber als Bewerber, wenn unzulässige Fragen gestellt werden? Wer schweigt, riskiert schließlich, abgelehnt zu werden. Johannes Schipp vom DAV erklärt: „Es ist deshalb allgemein anerkannt, dass Bewerber auf Fragen, die nicht zulässig sind, lügen dürfen. Was besser ist, lügen oder schweigen, wird man nur im Einzelfall entscheiden können.“
Allerdings müsse man sich den möglichen Konsequenzen bewusst sein, so Rechtsanwalt Schipp. Denn wenn ein Arbeitgeber kurz nach der Einstellung feststellt, dass er im Bewerbungsgespräch belogen worden ist, droht das Risiko, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit wieder gekündigt wird. „Soweit kein Sonderkündigungsschutz greift, braucht der Arbeitgeber dafür keinen Grund“, sagt Johannes Schipp.
Absage: Keinen Anspruch auf Begründung vom Arbeitgeber
Sollte sich der Bewerber entscheiden zu schweigen, muss er gleichwohl mit den möglichen Folgen leben. Ob er wegen einer verweigerten Antwort nicht eingestellt wurde, wird er dabei kaum erfahren. Johannes Schipp: „Abgesehen davon, dass ihm nur in seltenen Fällen der Nachweis gelingen wird, wegen Nichtbeantwortung gestellter Fragen nicht eingestellt worden zu sein, sieht das geltende Recht in der Regel keinen Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages vor.“
Gründe für eine Absage auf eine Bewerbung müssen nicht angegeben werden, entschied auch der Europäische Gerichtshof im April 2012. Wenn der Nachweis einer Benachteiligung doch gelingt, kann der Bewerber höchstens Schadensersatzansprüche geltend machen – bestenfalls also die Zahlung eines Geldbetrages.
Diskriminiert im Bewerbungsgespräch? Anwalt anrufen
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- Datum
- Aktualisiert am
- 22.11.2016
- Autor
- red