Das abendliche Trinken nach Sitzungen mit Kollegen ist auch Arbeit. Das hat zumindest das Sozialgericht Heilbronn im Mai 2014 entschieden. Die Sozialrichter stellten in einem verhandelten Fall klar, dass der nächtliche Sturz eines Betriebsratsmitglieds mit knapp 2 Promille Alkohol im Blut auf einer beruflichen Tagung als Arbeitsunfall anerkannt werden muss. Der Betroffene genießt damit den Schutz der Berufsgenossenschaft (AZ: S 6 U 1404/13).
Berufsgenossenschaft wollte nicht zahlen
Der 48-jährige Kläger ist Betriebsrat bei einem internationalen Konzern mit Sitz in der Region Stuttgart. Im April 2010 fand in einem Hotel in Bad Kissingen eine dreitägige Betriebsräteversammlung statt. Diese dauerte am ersten Abend bis gegen 19.30 Uhr. Mit 1,99 Promille im Blut stürzte er in der Nacht gegen 1 Uhr im Treppenhaus des Tagungshotels. Er wurde dort mit Kopf- und Lungenverletzungen bewusstlos aufgefunden und gegen 4 Uhr in die Notaufnahme gebracht. Er war danach längere Zeit arbeitsunfähig. Noch heute leidet er unter Schmerzen und Konzentrationsstörungen.
Gegenüber seiner Berufsgenossenschaft gab K. an, sich nicht mehr an den Unfallhergang erinnern zu können. Es sei auf der Tagung üblich, auch beim abendlichen geselligen Zusammensein unter Kollegen über betriebliche Belange zu sprechen.
Die Berufsgenossenschaft wollte aber nicht zahlen und lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Schließlich sei der Kläger zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert gewesen und habe nicht beweisen können, dass er einer betrieblichen Tätigkeit nachgegangen sei.
Sturz auf der Tagung ist Arbeitsunfall
Der Betroffene hatte aber das Gericht auf seiner Seite. Das Gericht verpflichtete die Berufsgenossenschaft, den Sturz auf der Tagung als Arbeitsunfall anzuerkennen. Das Gericht war zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger beim geselligen Zusammensein auch über dienstliche Angelegenheiten gesprochen habe. Im Übrigen habe sich der Arbeitsunfall auf dem Rückweg zum Hotelzimmer ereignet. Dieser „Arbeitsweg“ sei selbst dann unfallversichert, wenn nach dem Ende des offiziellen Teils nur private Gespräche geführt worden wären. Bei beruflichen Tagungen sei regelmäßig keine klare Trennung zwischen privaten und betrieblichen Belangen möglich. Der Versicherungsschutz sei auch nicht durch den Alkoholkonsum entfallen. So gebe es bei Fußgängern - anders als bei Autofahrern - keine feste Promillegrenze, ab der von einer absoluten Verkehrsuntüchtigkeit auszugehen sei.
Es bestünden keine Anhaltspunkte für konkrete alkoholbedingte Ausfallerscheinungen wie etwa ein schwankender, torkelnder Gang. Demnach sei nicht nachgewiesen, dass der Unfalls auf der unbekannten Hoteltreppe wesentlich auf die Alkoholisierung zurückzuführen sei.
Sind Sie bei Facebook? Dann liken Sie die Anwaltauskunft.
- Datum
- Aktualisiert am
- 04.09.2014
- Autor
- red/dpa