Wie so oft bei Rechtsfragen kommt es auch hier auf den Einzelfall an. In dem von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall hatte der Betriebsratsvorsitzende einen Antrag auf unbezahlte Freistellung gestellt (Arbeitsgericht Düsseldorf am 10. März 2016; AZ: 10 BV 253/15). Er wollte an einer zweitägigen Schulung der Gewerkschaft teilnehmen. Der Personalleiter lehnte wegen dringend zu erledigender Aufgaben ab. Darüber hinaus sei der Antrag sehr kurzfristig gestellt worden. Daraufhin trat der Betriebsratsvorsitzende den Urlaub eigenmächtig an.
Der Arbeitgeber sah hierin einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Auch als freigestelltes Betriebsratsmitglied könne sich der Betriebsratsvorsitzende seine Arbeitszeit nicht frei einteilen. Seine Arbeitszeit liege laut Betriebsvereinbarung montags bis freitags zwischen 7:00 Uhr und 14:45 Uhr. Der Arbeitgeber beantragte beim Arbeitsgericht die Ersetzung der vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats.
Der Betriebsrat meinten dagegen, der Betriebsratsvorsitzende könne sich „seine Tätigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen so einteilen, wie es seiner Ansicht nach zur Durchführung seiner Aufgaben am besten erscheine.“ Die beabsichtigte Kündigung sei außerdem schon deshalb unwirksam, weil der Betriebsratsvorsitzende aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zunächst hätte abgemahnt werden müssen.
Eigenmächtige Selbstbeurlaubung ist Pflichtverletzung
Vor Gericht hatte das Unternehmen keinen Erfolg. In der Tat sei der eigenmächtige Urlaubsantritt eine Pflichtverletzung, die auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte. Das Gericht erläuterte: „Der Arbeitnehmer, der sich selbst beurlaubt, verletzt nicht eine bloße Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, er verletzt vielmehr die Hauptpflicht zur Arbeitsleistung, von der er mangels einer Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber nicht wirksam entbunden ist.“
Keine freie Zeiteinteilung für freigestelltes Betriebsratmitglied
Auch ein freigestelltes Betriebsratsmitglied sei nicht berechtigt, sich seine Arbeitszeiten frei einzuteilen, sondern müsse sich an die im Betrieb üblichen Arbeitszeiten halten. Das habe der Mitarbeiter jedoch nicht getan. Selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass die Betriebsvereinbarung nicht unterzeichnet und damit unwirksam sei, wäre er verpflichtet gewesen, die tarifvertragliche Arbeitszeit einzuhalten. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrage hier 35 Stunden.
Fristlose Kündigung hier unverhältnismäßig
Die Interessenabwägung im vorliegenden Fall ergebe jedoch, dass eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig wäre, insbesondere auch wegen des Fehlens einer erforderlichen vorherigen Abmahnung.
Zu Gunsten des Betriebsratsvorsitzenden sei zu berücksichtigen, dass er seit 15 Jahren beschäftigt sei und es keine Abmahnung gegeben habe. Hinzu komme, dass für die Verweigerung der Freistellung keine dringenden betrieblichen Gründe vorgelegen hätten. Die Richter wiesen ausdrücklich darauf hin, dass hier die Anforderungen an die fristlose Kündigung sehr hoch seien, da der Vorwurf mit der besonders geschützten Betriebsratstätigkeit zusammenhänge.
Ob im Falle einer eigenmächtigen Selbstbeurlaubung vor einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung erforderlich sei, hänge in der Regel von der Unterredung über den Urlaubsantrag ab. Habe der Arbeitgeber auf konkrete betriebliche Gründe hingewiesen, die dem Urlaub entgegenstünden und dem Mitarbeiter nachdrücklich klargemacht, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen drohten, so müsse diesem klar sein, dass er im Falle einer Selbstbeurlaubung seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze. Nehme der Arbeitgeber dagegen die Ankündigung der Selbstbeurlaubung einfach kommentarlos hin, so müsse der Mitarbeiter nicht unbedingt mit einer fristlosen Kündigung rechnen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 20.09.2016
- Autor
- DAV