Arbeitsrecht

Außeror­dentliche Kündigung durch häufige Kurzerkran­kungen möglich

Wer eine ärztliche Bescheinigung fälscht, muss mit der fristlosen Kündigung rechnen. © Quelle: DAV

Auch wer nur kurz, aber häufig erkrankt, muss mit einer Kündigung rechnen. Schließlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, in den ersten sechs Wochen einer einzelnen Erkrankung den Lohn weiter zu zahlen. Allerdings sind an eine außeror­dentliche Kündigung strenge Bedingungen geknüpft.

Es kommt dabei auch auf den zeitlichen Umfang an. So hat das Arbeits­gericht Berlin-Brandenburg eine durchschnittliche Erkran­kungszeit von 17,4 Wochen pro Jahr für den Sonderfall der außeror­dent­lichen Kündigung als zu gering angesehen. Das Bundes­ar­beits­gericht (BAG) hielt schon 18,81 Wochen pro Jahr für zu wenig, wie die Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mitteilt.

Krankheit als wichtiger Grund für Kündigung

Tatsächlich kann eine Arbeits­un­fä­higkeit aufgrund von Krankheit ein wichtiger Grund sein, der eine Kündigung rechtfertigt. Eine außeror­dentliche Kündigung kommt jedoch nur in sehr wenigen Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifver­trag­licher Verein­ba­rungen ausgeschlossen ist. Das BAG prüft die Wirksamkeit einer mit häufigen Kurzerkran­kungen begründeten Kündigung grundsätzlich in drei Schritten:

  • Zum Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Hierbei kommt es konkret auf die häufigen Kurzerkrankungen in der Vergangenheit an.
  • Zweitens muss festgestellt werden, ob die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese kann sich etwa aus Störungen des Betriebsablaufs ergeben. Es können aber auch wirtschaftlichen Belastungen sein, etwa durch die zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen.
  • Drittens ist dann im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter zu prüfen, ob der Arbeitgeber diese Beeinträchtigungen nicht doch hinnehmen muss.

Bei einer außeror­dent­lichen Kündigung ist dieser Prüfungs­maßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger. Es muss quasi ein „sinnent­leertes Arbeits­ver­hältnis“ vorliegen. Für die Prognose auf der ersten Stufe kommt es auf einen Zeitraum von etwa drei Jahren an, in deren Verlauf es zu den häufigen Kurzerkran­kungen kam. Unzumutbare wirtschaftliche Belastungen nahm das BAG auch für den Fall von möglichen künftigen Fehlzeiten im Umfang von 18,81 Wochen nicht an.

Das Landes­ar­beits­gericht Berlin-Brandenburg hat sich am BAG orientiert und eine Kündigung abgelehnt (27. August 2014, AZ: 15 Sa 825/13).

17,4 Wochen krank pro Jahr rechtfertigen keine Kündigung

Die 1957 geborene Frau arbeitet seit 1981 bei dem Unternehmen. In den letzten Jahren war sie häufig krank, unter anderem wegen eines Schulter­problems. Aufgrund des Tarifvertrags konnte sie nicht ordentlich gekündigt werden. Insgesamt war sie die letzten drei Jahre an 366 Tagen erkrankt. Dies entspricht im Schnitt 17,4 Wochen jährlich und 14,7 Wochen Entgelt­fort­zahlung im Krankheitsfall. Als Archiv­mit­ar­beiterin verdiente die Frau rund 3.700 Euro brutto. Der Arbeitgeber kündigte ihr. Er meinte, er müsse auch in Zukunft mit häufigen Erkran­kungen rechnen.

Das reichte den Richtern mit Blick auf das BAG nicht aus. Außerdem wies das Landes­ar­beits­gericht darauf hin, dass es sich bei den Kurzerkran­kungen auch wiederholt um Erkältungen gehandelt habe. Da diese ausgeheilt seien, eigneten sie sich nicht für eine Prognose. Auch habe die Frau nach einer Operation an der Schulter mehrere Monate ununter­brochen gearbeitet.

Arbeitgeber sollten sich absichern

Dieser Fall zeigt, dass es für den Arbeitgeber ratsam ist, vor einer Kündigung anwalt­lichen Rat einzuholen. Aber immerhin hatte die erste Instanz die Kündigung noch bestätigt. Wird dem Arbeit­nehmer gekündigt, hat er mit Hilfe eines Anwalts häufig gute Karten. In unserer großen Anwaltssuche finden Sie viele Arbeits­rechts­exper­tinnen und -experten.