Als Alina Wehmann den Briefkasten öffnete, war sie erleichtert. Ihr Arbeitszeugnis war endlich da. Die PR-Beraterin hatte ihr Arbeitsverhältnis nach langem Zögern gekündigt. Der Job hatte ihr Spaß gemacht, aber es gab persönliche Differenzen mit einem Vorgesetzten. Obwohl sie nach der Kündigung immer wieder um ein Arbeitszeugnis bat, ließ das Unternehmen sie wochenlang warten.
Habe ich Anspruch auf ein Arbeitszeugnis – mit Bewertung?
Der Frau steht allerdings ein Zeugnis zu – und zwar nicht nur eines über die Art und Dauer ihres Jobs, das wäre ein einfaches Zeugnis, sondern eines mit einer Bewertung. Die Rechtslage ist hier eindeutig. „Arbeitnehmer in Deutschland haben grundsätzlich das Recht auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, festgelegt ist das in der Gewerbeordnung“, sagt Dr. Nathalie Oberthür, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Beschäftigte können also verlangen, dass eine Bewertung von Leistung, persönlicher Führung und Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen Eingang in das Zeugnis findet.
Muss es innerhalb einer bestimmten Frist ausgestellt werden?
Wie lange der Vorgesetzte dazu Zeit hat, ist gesetzlich nicht festgelegt. Stellt er aber auch nach mehrfacher Nachfrage kein (qualifiziertes) Zeugnis aus, sollte der Arbeitnehmer über eine Klage nachdenken.
Wer einen Rechtsstreit vermeiden möchte, kümmert sich am besten schon vor der Kündigung um das Arbeitszeugnis. Rechtsanwältin Oberthür: „Es empfiehlt sich, bereits bei den Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag den genauen Inhalt des Zeugnisses festzulegen“.
Kann ich gegen eine negative Formulierung im Arbeitszeugnis vorgehen?
Als Alina Wehmann das lang ersehnte Schreiben schließlich erhielt, war sie entsetzt. Der Satz, der sie am meisten traf: „Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben zu unser vollen Zufriedenheit erledigt.“ Im Arbeitszeugnis-Deutsch keine gute Note, sondern eine glatte 3. Sie forderte die Firma mehrmals auf, die mittelmäßige Gesamtnote zu ändern, doch die Firma weigerte sich, das Zeugnis zu verbessern.
Sie ist dazu auch nicht verpflichtet: Das Bundesarbeitsgericht hat am 18. November 2014 entschieden: Arbeitnehmer müssen weiterhin Beweise anführen, wenn sie eine bessere Durchschnittsnote als eine 3 in ihrem Arbeitszeugnis bescheinigt haben wollen. Die Leistungsbewertung „zur vollen Zufriedenheit“ dient weiterhin als Richtwert in Arbeitszeugnissen (AZ: 9 AZR 584/13).
Beschäftigte haben also keinen Anspruch auf eine bestimmte Note oder Formulierung. Der Chef kann entscheiden, ob er mit den Leistungen zum Beispiel „voll und ganz zufrieden“ ist oder ob ein Angestellter „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ gearbeitet hat. „Soweit Vorgesetzte ein schlechteres als ein durchschnittliches Zeugnis ausstellen, müssen sie das ihrerseits begründen“, erklärt die Kölner Rechtsanwältin.
Ausgewiesen negative Formulierungen dürfen jedoch nicht im Zeugnis stehen. Arbeitszeugnisse sollen das berufliche Fortkommen nicht erschweren. Daher gibt es oft verklausulierte Begriffe, die Minderleistung beschreiben.
Alina Wehmann war sich sicher, ihre hervorragenden Leistungen beweisen zu können. Sie verzichtete nur auf eine Klage gegen ihren alten Arbeitgeber, weil sie Glück hatte: Die Bewerbung um ihren Traumjob war auch so erfolgreich.