Was ist Altersdiskriminierung?
„Bilder in den Köpfen“ über das Altsein und Altwerden von Menschen können sich auf individuelle Entwicklungsverläufe, die Teilhabe der älteren Bevölkerung am gesellschaftlichen Leben und den gesellschaftlich-kulturellen Fortschritt auswirken“, heißt es in der 2023 vorgestellten Studie „Ageismus“.
Altersdiskriminierung liegt vor, wenn jemand aufgrund seines Lebensalters schlechter behandelt wird als andere. Dies kann sich in vielen Bereichen des Lebens zeigen, zum Beispiel im Beruf: Ältere Arbeitnehmer werden bei Beförderungen übergangen oder sogar entlassen. Jüngere Bewerber haben es hingegen schwer, Fuß zu fassen. In der Bildung: Ältere Menschen haben oft Schwierigkeiten, sich weiterzubilden oder einen Studienplatz zu bekommen. Beim Wohnen: Diskriminierung kann bei der Wohnungssuche oder bei der Vergabe von Sozialwohnungen auftreten. In der Gesundheit: Ältere Menschen können bei der medizinischen Versorgung benachteiligt werden. Bei Versicherungen: Höhere Beiträge oder Ablehnungen von Versicherungsverträgen aufgrund des Alters sind ebenfalls Formen der Diskriminierung.
Studie: Ab wann gelten Menschen als alt?
Werden alle Ergebnisse der Befragungen im Durchschnitt gewertet, liegt die wahrgenommene gesellschaftliche Altersgrenze bei 61 Jahren. Dabei nehmen ältere Menschen (über 65) die wahrgenommene Grenze deutlich höher wahr, die am häufigsten genannte Zahl liegt bei 70 Jahren.
(Urteil: Kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei Erreichen des Rentenalters.)
Benachteiligung aufgrund des Lebensalters: bei jungen Menschen weit verbreitet
Laut der Studie wird Altersdiskriminierung von jungen Menschen stärker wahrgenommen als von alten Menschen. Dabei ist die subjektive Einschätzung der Befragten als „sehr jung“ im Alter von 16-24 Jahren prozentual am größten. Diskriminierung werde dabei häufig durch Stereotypen wie faul, unmotiviert oder unzuverlässig erlebt. Oftmals fühlen sich junge Menschen „nicht-ernst-genommen“.
Schutz vor Benachteiligung im Berufsleben
Wer aufgrund seines Alters benachteiligt wird, sei es beispielsweise im Berufsleben, der fühlt sich zurecht ausgegrenzt; für das eigene Alter trägt man bekanntlich keine Schuld. Um Benachteiligungen im Berufsleben zu minimieren, wurden diverse Gesetze auf den Weg gebracht.
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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wurde 2006 verabschiedet und zuletzt im Dezember 2022 ergänzt. Ziel des Gesetzes ist, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Anwendungsbereich ist dabei zum einen das Beschäftigungsverhältnis sowie der Zugang dazu, und zum anderen soziale und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Angebote wie beispielsweise Wohnraum oder Bildung.
Benachteiligungen, die aus den oben genannten Gründen erfahren werden, sind somit unzulässig. Gleiches gilt, wenn einer der Gründe auch nur als Annahme dient.
Formen der Benachteiligung nach dem Gleichbehandlungsgesetz
Die Formen der Benachteiligungen können sich in unterschiedlicher Weise äußern, zum Beispiel:
- Abwertende Bemerkungen: Altersbezogene Beleidigungen oder Stereotypisierungen.
- Ungleiche Behandlung: Unterschiedliche Behandlung von jüngeren und älteren Personen in vergleichbaren Situationen.
- Diskriminierende Auswahlkriterien: Altersbeschränkungen in Stellenanzeigen oder bei der Vergabe von Leistungen.
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Altersdiskriminierung im Beruf: Digital Natives
Ein Beispiel für Altersdiskriminierung lag für das Arbeitsgericht Heilbronn in folgendem Falle vor:
Die Stellenanzeige eines international tätigen Handelsunternehmens suchte nach einem „Digital Native“, der sich in der Welt von Social Media (u.a.) zu Hause fühle. Ein 51-jähriger wurde abgelehnt und sah sich aufgrund seines Alters diskriminiert. Er klagte auf Entschädigung. Zurecht, wie das AG Heilbronn in seinem Urteil vom 18.01.2024 befand (8 Ca 191/23). Der Begriff „Digital Native“ sei mit einer generationenbezogenen Konnotation verbunden und würde den Bewerberkreis einengen. Der Begriff würde dabei nicht die erforderlichen Kenntnisse für die Stelle verdeutlichen, sondern vielmehr den Fokus auf Bewerber legen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen und in ihrer Benutzung geübt sind. Die Suche nach einem „Digital Native“ sei somit altersdiskriminierend. Das Gericht sprach dem Kläger das 1,5-fache Bruttomonatsgehalt der ausgeschriebenen Stelle als Entschädigung zu.
(Lesen Sie hier: Schadensersatz des Arbeitgebers wegen Diskriminierung steuerfrei?)
Rechtsanwalt Christian Meeser, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), fügt hinzu: „Das AGG legt klipp und klar fest, dass das Lebensalter einer Person nicht mehr vom Arbeitgeber als Unterscheidungskriterium herangezogen werden darf. Insbesondere wenn Arbeitgeber noch alte Arbeitsvertragsmuster von z.B. vor 10 Jahren verwenden, kommt es häufig zu Benachteiligungen. So darf die Höhe der Vergütung oder auch die Anzahl an Urlaubstagen nicht (mehr) an das Lebensalter geknüpft werden.“
Zulässige unterschiedliche Behandlung aufgrund des Alters
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes weist darauf hin, dass nicht jede unterschiedliche Behandlung rechtswidrig sei. Beispiele sind unter anderem Berufe, die aufgrund hoher körperlicher und geistiger Anforderungen nur bis zu einem bestimmten Alter ausgeführt werden können. Beispiele aus anderen Lebensbereichen sind Jugendschutzregelungen oder altersbedingte Vergünstigungen für Senioren und Kinder.
Altersdiskriminierung: Das können Betroffene tun
Wenn Sie das Gefühl haben, Opfer von Altersbenachteiligung geworden zu sein, müssen Sie dies nicht auf sich sitzen lassen. „Und Sie sollten schnell reagieren“, warnt Rechtsanwalt Meeser. „Entschädigungen und Schadensersatzansprüche müssen in der Regel innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht und ggf. ebenso fristgerecht eingeklagt werden. Abgestellt wird hierbei auf den Zeitpunkt, in dem Sie von der Benachteiligung erfahren haben. Beispielweise wenn Sie die Ablehnung ihrer Bewerbung aus Altersgründen erhalten oder ein fälschlicherweise an das Lebensalter geknüpfter Urlaubsanspruch nicht gewährt wird.“
Betroffene können sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden und eine Einschätzung ihres Falles vornehmen. Um Ihre Ansprüche durchzusetzen, hilft Ihnen professioneller Rechtsbeistand mit Schwerpunkt Arbeitsrecht. Geeignete Anwältinnen und Anwälte in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Anwaltssuche.
- Datum
- Aktualisiert am
- 11.09.2024
- Autor
- red/dpa