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Die Fragen vom Chef

Bewerbungs­ge­spräch: Die Aussage verweigern

Der potenzielle Chef darf nur Fragen stellen, die einen Bezug zum künftigen Job haben. © Quelle: Kzenon/ panthermedia.net

Welche Partei wählen Sie? Sind Sie schwanger? Bei Vorstel­lungs­ge­sprächen werden oft Fragen gestellt, deren Antwort den möglichen Arbeitgeber nichts angehen. Was erlaubt ist, und was nicht – und wann Bewerber lügen dürfen.

Der Mund trocken, die Hände schwitzig: Ein Bewerbungs­ge­spräch macht die meisten Menschen nervös. Schließlich hat ein Bewerber nicht viel Zeit, sein Gegenüber von sich zu überzeugen. Warum gerade dieses Unternehmen, fragt der Personaler. Was ist Ihnen bei einem Arbeitgeber wichtig, will der potentielle Chef wissen. Und dann plötzlich eine seltsame Frage: „Sind Sie schwanger oder planen Sie ein Kind?“ Ja, in ein paar Jahren schon, denken Sie. Aber was geht das meinen zukünftigen Chef an? Und wichtiger: Verringert es nicht meine Einstel­lungs­chancen, wenn ich es zugebe?

Was der mögliche Arbeitgeber fragen darf, lässt sich nicht pauschal beantworten“, sagt Johannes Schipp, Vorsit­zender der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwalt­verein (DAV). „Zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Frage muss ein sachlicher Zusammenhang bestehen.“ Der Arbeitgeber müsse ein berech­tigtes Interesse an der Beantwortung der Frage haben. Das heißt: Zum Lebenslauf, den vorherigen Beschäf­ti­gungen oder zu berufs­spe­zi­fischen Kenntnissen und Fähigkeiten können Bewerber ohne Weiteres befragt werden.

Beruf muss beim Bewerbungs­ge­spräch im Mittelpunkt stehen

Darüber hinaus muss der Bewerber im Vorstel­lungs­ge­spräch nur Auskünfte geben, die für die künftige Tätigkeit relevant sind. Bewirbt sich eine Frau als Büroan­ge­stellte, muss sie eine Schwan­ger­schaft nicht mitteilen. Möchte Sie aber als Lagerar­beiterin anfangen, dann ist das anders: Schließlich dürfen Schwangere nicht schwer heben. Ähnlich verhält es sich bei Vorstrafen. Wer als Kassierer arbeiten will, ist nicht verpflichtet, Verkehrs­delikte aus der Vergan­genheit zu nennen – wohl aber frühere Diebstähle oder Unterschla­gungen.

Sucht jemand einen Job als Chauffeur, verhält es sich umgekehrt. Arbeits­rechtler Schipp nennt ein weiteres Beispiel: „Nach einer Drogen- und Alkohol­ab­hän­gigkeit wird man ebenfalls generell fragen dürfen. Hingegen ist die Frage nach bloßen Drogen- und Alkohol­ge­wohn­heiten unzulässig.“

AGG: Diskri­mi­nierende Fragen im Vorstel­lungs­ge­spräch nicht erlaubt

Seit der Einführung des Allgemeinen Gleich­stel­lungs­ge­setzes im Jahr 2006 sind die Grenzen dessen, was im Vorstel­lungs­ge­spräch gefragt werden darf, noch enger gezogen. Darin ist festgelegt: „Benach­tei­li­gungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltan­schauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung“ sind nicht zulässig. Sie dürfen somit keine Rolle bei der Beurteilung von Bewerbern spielen und potenzielle Arbeitgeber demnach auch nicht danach fragen.

Bewerbe­rinnen mit Kind etwa müssen es nicht akzeptieren, wenn der Chef sie im Vorstel­lungs­ge­spräch zur Betreuung ausfragt. Auch wenn derlei Fragen üblich sind: Rechtlich zulässig seien sie nicht, erklärt Nathalie Oberthür. Die Rechts­an­wältin ist Mitglied in der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht im DAV. Darin sei zum Beispiel ein Indiz für eine Diskri­mi­nierung wegen des Geschlechts zu sehen. Kommen Frauen in die Situation, dürften sie sogar lügen, ohne dass das arbeits­rechtliche Konsequenzen für sie hat.

Doch auch hier gibt es einige wenige Ausnahmen. „Wenn die CDU eine Stelle neu besetzt, darf sicherlich danach gefragt werden, ob der Bewerber Mitglied einer anderen politischen Partei ist“, sagt Johannes Schipp.

Lügen im Bewerbungs­ge­spräch nur als letzte Option

Wie verhält man sich aber als Bewerber, wenn unzulässige Fragen gestellt werden? Wer schweigt, riskiert schließlich, abgelehnt zu werden. Johannes Schipp vom DAV erklärt: „Es ist deshalb allgemein anerkannt, dass Bewerber auf Fragen, die nicht zulässig sind, lügen dürfen. Was besser ist, lügen oder schweigen, wird man nur im Einzelfall entscheiden können.“

Allerdings müsse man sich den möglichen Konsequenzen bewusst sein, so Rechts­anwalt Schipp. Denn wenn ein Arbeitgeber kurz nach der Einstellung feststellt, dass er im Bewerbungs­ge­spräch belogen worden ist, droht das Risiko, dass das Arbeits­ver­hältnis innerhalb der Probezeit wieder gekündigt wird. „Soweit kein Sonder­kün­di­gungs­schutz greift, braucht der Arbeitgeber dafür keinen Grund“, sagt Johannes Schipp.

Absage: Keinen Anspruch auf Begründung vom Arbeitgeber

Sollte sich der Bewerber entscheiden zu schweigen, muss er gleichwohl mit den möglichen Folgen leben. Ob er wegen einer verwei­gerten Antwort nicht eingestellt wurde, wird er dabei kaum erfahren. Johannes Schipp: „Abgesehen davon, dass ihm nur in seltenen Fällen der Nachweis gelingen wird, wegen Nichtbe­ant­wortung gestellter Fragen nicht eingestellt worden zu sein, sieht das geltende Recht in der Regel keinen Anspruch auf Abschluss eines Arbeits­ver­trages vor.“

Gründe für eine Absage auf eine Bewerbung müssen nicht angegeben werden, entschied auch der Europäische Gerichtshof im April 2012. Wenn der Nachweis einer Benach­tei­ligung doch gelingt, kann der Bewerber höchstens Schadens­er­satz­an­sprüche geltend machen – bestenfalls also die Zahlung eines Geldbe­trages.

Diskri­miniert im Bewerbungs­ge­spräch? Anwalt anrufen

Sie haben den Eindruck, im Bewerbungs­ver­fahren diskri­miniert worden zu sein? Ihr potenzieller Arbeitgeber hat unzulässige Fragen gestellt und Ihnen aufgrund Ihrer Antworten eine Absage erteilt? Bei diesen und anderen arbeits­recht­lichen Konflikten kann eine Rechts­an­wältin Sie beraten und entscheiden, ob eine Klage Erfolg versprechend ist. Experten in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Anwaltssuche.

Datum
Aktualisiert am
22.11.2016
Autor
red
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