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Kaiser´s Tengelmann

Betriebs­übergang: Pflichten der Arbeitgeber, Rechte der Arbeit­nehmer

Aus Kaiers´s Tengelmann-Märken wird nun Edeka, Rewe oder ein anderer Supermarkt. Was bedeutet das für die Mitarbeiter? © Quelle: PortraImages/gettyimages.de

Kaiser´s Tengelmann, Edeka, Rewe und das Bundes­kar­tellamt hatten sich nach monate­langen Verhand­lungen geeinigt: Edeka und Rewe haben die Kaiser´s-Filialen übernommen. In den Kaiser´s Tengelmann Supermärkten fand jeweils ein Inhaber­wechsel statt, auch Betriebs­übergang genannt. Betriebs­übergänge kommen häufig vor, wenn auch meist nicht so viele Beschäftigte betroffen sind. Das Rechts­portal anwalt­auskunft erklärt, was es damit auf sich hat, und welche Rechte und Pflichten sich daraus für Arbeitgeber und Arbeit­nehmer ergeben.

Ein geplanter Betriebs­übergang bereitet den Arbeit­nehmern des zu überneh­menden Betriebs häufig Sorgen. Und nicht nur ihnen: Auch für den Arbeitgeber kann ein Betriebs­übergang eine Heraus­for­derung sein. Denn die gesetz­lichen Anforde­rungen sind hoch, vor allem mit Blick auf die Informa­ti­ons­pflichten. Fehler können die Arbeitgeber teuer zu stehen kommen, auch Jahre später noch. Lesen Sie hier, wie Arbeitgeber den Betriebs­übergang rechts­sicher gestalten können.

Neuer Inhaber, gleiche Rechte und Pflichten

Ein Betriebs­übergang ist ein Inhaber­wechsel nach § 613 a Bürger­liches Gesetzbuch (BGB). Das bedeutet, dass ein Betrieb oder ein Teil des Betriebes auf einen anderen Inhaber übergeht. Dieser übernimmt auch alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeits­ver­hält­nissen. Zu einem Betriebs­übergang kann es kommen, wenn der Betrieb eines Unternehmens verkauft wird, zum Beispiel weil es zahlungs­unfähig ist oder aus sonstigen Gründen bestimmte Betriebs­be­reiche nicht mehr fortführen oder auslagern will.

Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass Arbeit­nehmer entlassen werden. Im Gegenteil: Mit einem Betriebs­übergang wollen der ehemalige und der neue Inhaber sicher­stellen, dass der Betrieb weiterläuft, und zwar mit der größtmög­lichen Stabilität.

Betriebs­übergang: Informa­ti­ons­pflicht des Arbeit­gebers

Einer der wichtigsten Aspekte beim Betriebs­übergang und häufiger Auslöser für Rechts­streite ist die Information der Mitarbeiter. Entweder der Noch-Arbeitgeber oder der Erwerber des Betriebs muss die Mitarbeiter frühzeitig über den anstehenden Betriebs­übergang informieren.

Diese Unterrichtung über den Betriebs­übergang muss in Textform erfolgen, damit die Mitarbeiter sie später noch einmal nachlesen können. Es reicht also theoretisch auch eine E-Mail. Die meisten Unternehmen verschicken allerdings unterzeichnete Schreiben.

Betriebs­übergang: So müssen die Mitarbeiter informiert werden

Das Schreiben soll Arbeit­nehmer informieren und ihnen eine Entschei­dungs­grundlage geben, um dem Betriebs­übergang möglicherweise widersprechen zu können. Nachdem sie umfassend und korrekt unterrichtet wurden, haben sie dazu eine Frist von einem Monat. Wichtig ist dabei vor allem, welche Folgen der Betriebs­übergang für den einzelnen Mitarbeiter hat. Unter § 613 a Abs. 5 BGB ist geregelt, was das Schreiben beinhalten muss:

1) (Geplanter) Zeitpunkt des Betriebs­übergangs

Steht der genaue Zeitpunkt noch nicht fest, genügt es auch, den geplanten Zeitrahmen zu nennen, zum Beispiel „voraus­sichtlich Ende Dezember 2016“.

2) Grund und Rechts­grundlage des Betriebs­übergangs

Hier geht es darum, welches Rechts­ge­schäft dem Betriebs­übergang juristisch zugrunde liegt, zum Beispiel ein Kaufvertrag über die wesent­lichen Betriebs­mittel.

3) Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Betriebs­übergangs für den Mitarbeiter

Bei diesem Punkt geht es um alle Folgen des Betriebs­übergangs, die das Arbeits­ver­hältnis betreffen. Geht der Betrieb zum Beispiel von einem tarifge­bundenen Arbeitgeber auf einen nicht tarifge­bunden über, könnte in dem Schreiben stehen: „Kollek­tiv­rechtlich findet der Tarifvertrag künftig keine Anwendung mehr“.

4) In Aussicht genommene Maßnahmen

Hierin geht es um geplante Maßnahmen des Erwerbers, die aus Arbeit­neh­mersicht (sonst) noch wichtig sind. Zum Beispiel, wenn der Betriebssitz in sechs Monaten verlegt wird, Arbeits­plätze abgebaut werden sollen oder der Betrieb umstruk­turiert wird.

 

Sie sind Arbeit­nehmer? Lesen Sie hier, welche Rechte Sie bei einem Betriebs­übergang genießen.

Arbeit­nehmer haben ein Recht darauf, frühzeitig und umfassend über einen anstehenden Betriebs­übergang informiert zu werden (s. oben). „Wenn die Arbeit­nehmer damit einver­standen sind, brauchen sie nichts zu unternehmen: Mit dem Betriebs­übergang wird der Käufer neuer Arbeitgeber“, erklärt Rechts­anwalt Michael Eckert, Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Wolle ein Mitarbeiter dem Betriebs­übergang widersprechen, habe er dazu einen Monat Zeit, fügt er hinzu. Es sei denn, die Unterrichtung ist nicht korrekt.

Ist es sinnvoll, einem Betriebs­übergang zu widersprechen?

Bei einem Betriebs­übergang muss der Arbeit­nehmer entscheiden, ob ihm die Stelle oder der Arbeitgeber wichtiger ist. „Widerspricht er dem Betriebs­übergang, bleibt er beim alten Arbeitgeber angestellt“, sagt Rechts­anwalt Eckert. Bestehe dieser Betrieb allerdings nicht mehr, oder gebe es für den widerspre­chenden Arbeit­nehmer dort keinen Arbeitsplatz mehr, komme es zu einer betriebs­be­dingten Kündigung.

Im Fall Kaiser´s Tengelmann dürfte ein Widerspruch der Mitarbeiter zum Betriebs­übergang wenig sinnvoll gewesen sein. Denn die ehemaligen Kaiser´s Tengelmann-Filialen sollen weiter­geführt werden. „Einem Betriebs­übergang zu widersprechen, kann sinnvoll sein, wenn nur Teile des Betriebs übernommen werden“, erklärt der Experte aus Heidelberg. Das gelte vor allem, wenn der Käufer einen schlechten Ruf habe und man davon ausgehen könne, dass der übernommene Betrieb nicht lange bestehen werde.

Muss ich bei einem Betriebs­übergang einen neuen Arbeits­vertrag unterschreiben?

Widerspricht man nicht, geht das Arbeits­ver­hältnis mit allen Rechten und Pflichten zum neuen Arbeitgeber über. Dazu gehören auch die Jahre der Betriebs­zu­ge­hö­rigkeit, die Sozialdaten und das Gehalt. Ein neuer Arbeits­vertrag ist nicht notwendig – der alte Arbeits­vertrag behält seine Gültigkeit.

Betriebs­übergang: Können Arbeit­nehmer gekündigt werden?

Bei einem Betriebs­übergang können Arbeit­nehmer zunächst nicht gekündigt werden. Die Arbeits­ver­hältnisse der Arbeit­nehmer bestehen fort. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Betrieb in verschiedene Einzel­ge­sell­schaften aufgegliedert wird. Gelten diese als Gemein­schafts­betrieb, können sich Arbeit­nehmer auch gegen eine betriebs­be­dingte Kündigung erfolgreich wehren.

Das geht aus einer Entscheidung des Landes­ar­beits­ge­richts in Düsseldorf vom 30. August 2016 (AZ: 14 Sa 274/16) hervor. Im zugrun­de­lie­genden Fall ging es um einen Mann, der in einem Möbelhaus arbeitete. Für ein halbes Jahr betrieben zwei Gesell­schaften gemeinsam das Möbelhaus. Dann kündigte das Möbelhaus den Nutzungs­über­las­sungs­vertrag mit den beiden Gesell­schaften. Die Gesell­schaft, bei der der Kläger zuletzt beschäftigt war, kündigte ihm aus betriebs­be­dingten Gründen.

Die Kündigungs­schutzklage des Arbeit­nehmers war erfolgreich. Für das Gericht stand fest, dass das Arbeits­ver­hältnis trotz Betriebs­übergang fortbesteht. Insgesamt sei der Möbelverkauf trotz Aufteilung in verschiedene Gesell­schaften als identische wirtschaftliche Einheit erhalten geblieben. Der Kundenstamm sei ebenso wie die Verkaufs­stelle gleich­ge­blieben, auch das Warensor­timent habe sich nicht geändert. Es liege daher ein Gemein­schafts­betrieb vor.

Betriebs­übergang: Wann sollte ich zum Anwalt gehen?

Ein Betriebs­übergang ist rechtlich ein komplexer Vorgang – alleine die Informa­ti­ons­schreiben sind für Laien oft nur schwer verständlich. Dabei kann es zu Situationen kommen, in denen eine anwaltliche Beratung notwendig wird:

• Wenn Sie im Zuge eines Betriebs­übergang gekündigt wurden und nicht sicher sind, ob das rechtens ist,

• wenn sie einen neuen Vertrag unterschreiben sollen und prüfen lassen wollen, ob sie auch wirklich alle ihre Rechte behalten,

• oder wenn Sie überlegen ob es sinnvoll ist, dem Betriebs­übergang zu widersprechen oder das Schreiben überprüfen lassen wollen.

Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann sich die vorlie­genden Informa­tionen anschauen und Sie beraten, um die für Sie beste Lösung zu finden. Bringen Sie dazu Ihren Arbeits­vertrag, das Unterrich­tungs­schreiben und gegebe­nenfalls den neuen Vertrag mit. Einen Rechts­anwalt oder eine Rechts­an­wältin in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Anwaltssuche.

Sie sind Arbeitgeber? Lesen Sie hier, was Sie tun müssen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.

Rechts­an­wältin Barbara Reinhard ist Mitglied im Geschäfts­füh­renden Ausschuss der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht im DAV und auf die Vertretung von Unternehmen spezia­lisiert. Sie rät Arbeit­gebern, bei einem Betriebs­übergang frühzeitig im Planungs­prozess aktiv zu werden. „Am Anfang sollte die Überlegung stehen, ob ein Betriebs­übergang nach § 613a BGB überhaupt die beste Gestal­tungs­mög­lichkeit ist.“ Danach sollte geklärt werden, wie man die Gestaltung absichert.

Dabei ist entscheidend, dass die Mitarbeiter nach den gesetz­lichen Vorgaben informiert werden. Denn ab dann läuft die einmonatige Frist, in der sie dem Betriebs­übergang widersprechen können. Andernfalls beginnt die Frist gar nicht erst – mit der Folge, dass die Arbeit­nehmer unter Umständen auch noch Jahre nach dem Betriebs­übergang widersprechen können.

Wie weit geht die Informa­ti­ons­pflicht des Arbeit­gebers bei einem Betriebs­übergang?

„Für Arbeitgeber ist es schwierig, richtig zu informieren: Die Anforde­rungen sind sehr hoch“, warnt Rechts­an­wältin Reinhard. Nicht zuletzt die Gerichte hätten die Hürden für eine korrekte Unterrichtung so hoch gelegt, dass die Informa­ti­ons­schreiben viele Seite umfassten. Der eigentliche Zweck, die Mitarbeiter angemessen zu informieren, werde damit kaum noch erreicht. „Das Schreiben, das eigentlich eine Entschei­dungs­grundlage sein sollte, verunsichert die Leute dann eher“, fügt die Expertin aus Frankfurt hinzu. Zudem könnten Arbeitgeber teilweise nicht alle langfristigen Konsequenzen eines Betriebs­übergangs überblicken.

Das Informa­ti­ons­schreiben muss zwar die Grundsätze von Klarheit, Eindeu­tigkeit und Transparenz erfüllen. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu stehen, informieren die Arbeitgeber meist dennoch möglichst ausführlich.

Was passiert, wenn die Mitarbeiter nicht korrekt über den Betriebs­übergang informiert werden?

Was passieren kann, wenn Arbeitgeber nicht korrekt informieren, zeigt folgendes Beispiel. Der Inhaber eines Famili­en­be­triebs veräußert diesen, um sich zur Ruhe zu setzen. Der Käufer übernimmt das Unternehmen im Rahmen eines Betriebs­übergangs, wirtschaftet es aber herunter, sodass er Insolvenz anmelden muss. Als die Mitarbeiter entlassen werden, stellt sich heraus, dass das Informa­ti­ons­schreiben beim Betriebs­übergang fehlerhaft war. Also widersprechen die Mitarbeiter dem Betriebs­übergang, der schon mehrere Jahre zurückliegt. Der pensio­nierte Unternehmer hat dadurch mit einem Schlag wieder mehrere Mitarbeiter unter sich – allerdings ohne die zurück­ge­legten und den Mitarbeitern zustehenden Pensions­zah­lungen, die er ja im Rahmen der Betriebs­ver­äu­ßerung aufgelöst und übertragen oder gegen die Kaufpreis­for­derung verrechnet hat.

Eine fehlerhafte Unterrichtung, und möglicherweise spätere Widersprüche von Mitarbeitern, sind also ein enormes wirtschaft­liches Risiko. „Als Angst vor solchen Szenarien legen einige Inhaber den Betrieb lieber still“, erklärt die Arbeits­rechts­an­wältin Reinhard. Sie fordert vom Gesetzgeber, hier dringend für mehr Rechts­si­cherheit zu sorgen.

Wie können Unternehmen einen Betriebs­übergang rechts­sicher gestalten?

Bis dahin sollten sich Arbeitgeber bei der Erstellung des Informa­ti­ons­schreibens von einem Experten für Arbeitsrecht beraten lassen. Eine Rechts­an­wältin oder einen Rechts­anwalt, die Arbeitgeber vertreten, finden Sie in unserer Anwaltssuche. Darüber hinaus rät Barbara Reinhard den Arbeit­gebern, einen Überlei­tungs­vertrag zu verfassen: „Das ist eine vertraglich Verein­barung, die Betriebs­er­werber und -veräußerer mit den Mitarbeitern zur Überleitung der Arbeits­verträge schließen können. Diese stimmten dem Betriebs­übergang damit zu und verzichten auf ihr Recht, dem Betriebs­übergang zu widersprechen.“ Alle andere Rechte der Mitarbeiter blieben dabei erhalten.

Wichtig ist auch, frühzeitig den Betriebsrat hinzuziehen. Je nach Unterneh­mensgröße und Gestaltung des Betriebs­übergangs hat er auch Beteiligungs- und Informa­ti­ons­rechte. Außerdem gilt: „Nur wenn der Betriebsrat Bescheid weiß, kann er auch den Mitarbeitern Auskunft geben und ihnen die Angst nehmen“, erklärt Rechts­an­wältin Reinhard. Es sei wichtig, bei allen Schritten im Planungs­prozess zu überlegen, wie man die Mitarbeiter mitnehmen und ihnen die Sorgen nehmen könne.

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Datum
Aktualisiert am
29.10.2018
Autor
vhe,red/dpa
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Themen
Arbeit Arbeit­nehmer Arbeitsplatz Kündigung Unternehmen

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