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Arbeit und Gesundheit

Darf ein Arbeit­nehmer wegen einer Krankheit gekündigt werden?

Kündigung wegen Krankheit: Darf der Arbeitgeber das?

Selbst das Kündigungs­schutz­gesetz bewahrt Arbeit­nehmer nicht unbedingt davor, wegen oder während einer Krankheit gekündigt zu werden und den Job zu verlieren. Allerdings schränkt der Gesetzgeber Kündigungen wegen einer Krankheit ein. Die Anwalt­auskunft zeigt die wichtigsten Regeln.

Der aktuelle Fehlzei­ten­report des Wissen­schaft­lichen Instituts der AOK zeigt: Beschäftigte melden sich immer häufiger krank. Inzwischen fehlt jeder Arbeit­nehmer im Durchschnitt rund 19 Tage pro Jahr bei der Arbeit. Besonders oft liegt der Grund für die Arbeits­un­fä­higkeit in einer psychischen Erkrankung.

Arbeit­nehmer: Muss man den Arbeitgeber über eine Erkrankung informieren?

Für Arbeit­nehmer stellt sich oft die Frage, ob sie ihren Arbeitgeber über die Art ihrer Erkrankung informieren sollten. Gerade Arbeit­nehmer, die lange krank sind, neigen zu dieser Offenheit - häufig in der Hoffnung, bei ihrem Arbeitgeber Verständnis für sich, ihre Erkrankung und ihre mitunter lange Arbeits­un­fä­higkeit zu wecken. Doch ist diese Offenheit klug? Und wie sieht die Rechtslage aus? Muss man den Arbeitgeber über eine Erkrankung informieren?

Wer erkrankt, muss den Arbeitgeber zwar gleich am ersten Tag informieren, dass man krank ist und nicht zur Arbeit kommen kann“, sagt der Wiesbadener Rechts­anwalt Jakob T. Lange von der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). „Rechtlich sind Beschäftigte aber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, gegenüber ihrem Arbeitgeber vorpro­zessual offenzulegen, an was sie erkrankt sind. Man sollte dies generell auch nicht tun.“

Denn ein offener Umgang mit einer Erkrankung könnte negative Folgen mit sich bringen, eine Stigma­ti­sierung etwa. Gerade bei Süchten oder affektiven Störungen wie Depres­sionen ist eine Stigma­ti­sierung des Arbeit­nehmers zu befürchten. Nur in wenigen Ausnah­me­fällen sollte man den Arbeitgeber über eine Krankheit informieren (siehe Info-Box).

Krankheit verschwiegen: Arbeitgeber darf kündigen

Mitarbeiter, die ein Betriebsarzt wegen einer Krankheit als ungeeignet für eine bestimmte Aufgabe einstuft, müssen den Arbeitgeber darüber informieren. Verschweigen sie die Einschätzung des Betriebs­arztes, droht ihnen eine Kündigung, wie die Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mitteilt. Sie verweist auf eine Entscheidung des Landes­ar­beits­ge­richts Köln (AZ: 7 Sa 217/15).

Dem Gericht lag der Fall eines Mannes vor, der Lkw-Fahrer für Gefahr­gut­transporte war. Der Betriebsarzt stellte fest, dass es befristete gesund­heitliche Bedenken gegen seinen Einsatz gibt. Diese Einschätzung verschwieg der Lkw-Fahrer seinem Arbeitgeber. Als dieser davon erfuhr, kündigte er dem Mitarbeiter fristlos. Dagegen klagte der Mann, hatte mit seiner Klage aber keinen Erfolg.

Das Landes­ar­beits­gericht Köln verwies darauf, dass es einen schweren Arbeits­ver­trags­verstoß darstelle, wenn ein Arbeit­nehmer das Ergebnis einer solchen Untersuchung dem Arbeitgeber verschweige. Gerade weil die Durchführung von Gefahr­gut­trans­porten eine stark gefahr­ge­neigte Tätigkeit sei, sei ein Mitarbeiter dazu verpflichtet, den Arbeitgeber über die Einschätzung des Betriebs­arztes zu informieren. (Quelle: red/dpa)

Krankheits­be­dingte Kündigung eines Arbeit­nehmers: Wann muss man damit rechnen?

Abgesehen von einer Stigma­ti­sierung könnten einem zu offenen Arbeit­nehmer auch arbeits­rechtliche Nachteile drohen. Zwar ist eine Erkrankung als solche kein arbeits­rechtlich anerkannter Kündigungsgrund. Doch das sieht anders aus, wenn ihr zum Beispiel häufige Krankschrei­bungen und Fehltage folgen.

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen verschiedenen Szenarien, die es einem Arbeitgeber erlauben könnten, einem Arbeit­nehmer krankheits­bedingt zu kündigen:

  • häufige, kurze Erkrankungen des Arbeitnehmers,
  • dauernde Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers ohne Perspektive auf Besserung,
  • eine langandauernde Erkrankung des Arbeitnehmers, bei der unklar ist, ob und wann sie geheilt werden wird.

Krankheits­be­dingte Kündigung eines Arbeit­nehmers: Was sind die arbeits­recht­lichen Voraus­set­zungen?

Doch allein auf diese Kriterien kann sich ein Arbeitgeber nicht stützen, wenn er beabsichtigt, einem Beschäf­tigten krankheits­bedingt zu kündigen. „Der Arbeitgeber muss eine geplante Kündigung wegen Krankheit genau prüfen und sozial rechtfertigen“, sagt Rechts­anwalt  Jakob T. Lange. „Dafür muss er ein dreistufiges Prüfungs­schema einhalten.“

Krankheits­be­dingte Kündigung: Wie sieht die künftige Gesund­heits­prognose eines Arbeit­nehmers aus?

Der erste Schritt in diesem Prüfungs­schema ist, dass der Arbeitgeber sich vor einer geplanten Kündigung fragen muss, wie die Gesund­heits­prognose des betroffenen Arbeit­nehmers aussieht. Wenn der Arbeitgeber von einer negativen Gesund­heits­prognose ausgeht, muss er diese allerdings belegen. „Das bedeutet: Es müssen objektive Tatsachen vorliegen, aus denen folgt, dass weitere Erkran­kungen im bisherigen Umfang zu erwarten sind“, sagt der Arbeits­rechts­experte Lange.

Ein Beispiel: Ein Arbeit­nehmer fehlt innerhalb von drei bis fünf Jahren jedes Jahr mehr als sechs Wochen. Von diesen regelmäßig auftre­tenden Krankschrei­bungen und Arbeits­un­fä­hig­keiten könnte der Arbeitgeber auf die Zukunft schließen und von weiteren Fehltagen ausgehen. Das wiederum könnte eine negative Gesund­heits­prognose mit sich bringen und eine krankheits­be­dingte Kündigung rechtfertigen – es sei denn, der Arbeit­nehmer kann beweisen, dass er voll einsatzfähig ist und künftig seltener fehlen wird.

Krankheits­be­dingte Kündigung: Beeinträchtigt die Krankheit des Arbeit­nehmers die Interessen des Arbeit­gebers oder den Betriebs­ablauf?

Im zweiten Schritt des Prüfungs­schemas muss der Arbeitgeber bei einer negativen Gesund­heits­prognose prüfen, ob diese seine wirtschaft­lichen oder betrieb­lichen Interessen einschränkt. „Dafür müssen die Fehlzeiten des kranken Arbeit­nehmers die wirtschaft­lichen Interessen des Arbeit­gebers allerdings erheblich beeinträchtigen“, sagt Jakob T. Lange.

Das kann etwa dann sein, wenn der Betriebs­ablauf durch die Fehlzeiten gestört wird oder der Chef dem kranken Arbeit­nehmer in außerge­wöhn­licher Höhe Entgelt fortzahlen muss.

Krankheits­be­dingte Kündigung und Abwägung der Interessen: Lange betriebliche Zugehö­rigkeit oder kurze Anstellung?

Im dritten Prüfungs­schritt muss der Arbeitgeber seine Interessen gegen die des kranken Arbeit­nehmers abwägen. Dabei spielt auch die Dauer der betrieb­lichen Anstellung eine Rolle. Einem Arbeit­nehmer, der schon lange in dem Betrieb arbeitet, schuldet ein Chef mehr Nachsicht als jemandem, der erst seit kurzer Zeit der Probezeit entwachsen ist.

Im Folgenden gehen wir auf weitere Aspekte krankheits­be­dingter Kündigungen ein:

Beschäftigte: Kann man während einer Krankheit gekündigt werden?

Ja. Das ist möglich. Ein Arbeit­nehmer kann auch während der Krankheit selbst gekündigt werden.

Muss ein Arbeitgeber den Betriebsrat vor einer Kündigung wegen Krankheit anhören?

Wenn es einen Betriebsrat im Unternehmen gibt: ja, unbedingt. Ansonsten ist die krankheits­be­dingte Kündigung ungültig und damit anfechtbar.

Arbeitsrecht und Kündigungs­schutz: Können Schwer­be­hinderte oder Schwangere wegen einer Krankheit gekündigt werden?

Für bestimmte Arbeit­neh­mer­gruppen sieht das Arbeitsrecht eingeschränkte Kündigungs­mög­lich­keiten vor: Vor der Kündigung eines Schwer­be­hin­derten etwa muss der Arbeitgeber das Integra­ti­onsamt um Zustimmung bitten, erst mit dieser Zustimmung kann ein Chef die Kündigung eines behinderten Arbeit­nehmers wirksam aussprechen.

Auch für die Kündigung einer schwangeren oder sich im Mutter­schutz befind­lichen Arbeit­nehmerin braucht ein Arbeitgeber nach dem Kündigungs­schutz­gesetz eine behördliche Zustimmung.

Dienst­unfähig: Beamter kann nicht ohne Weiteres in den Ruhestand versetzt werden

Wird ein Beamter dienst­unfähig, kann er in den Ruhestand versetzt werden. Es gilt jedoch der Grundsatz „Weiter­ver­wendung vor Versorgung“. Der Dienstherr muss im Falle der Dienst­un­fä­higkeit eines Beamten zunächst prüfen, ob dieser nicht anderweitig, gegebe­nenfalls auch in einem Amt einer anderen Laufbahn, eingesetzt werden kann. So hat das Verwal­tungs­gericht Trier am 14. Mai 2018 entschieden (Entscheidung, AZ: 6 K 12087/17.TR), wie die Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht des DAV informiert.

Arbeitsrecht: Wie können Arbeit­nehmer sich gegen eine krankheits­be­dingte Kündigung wehren?

Wenn Betroffene gegen eine krankheits­be­dingte Kündigung klagen wollen, müssen sie zügig reagieren. Denn ihnen bleiben nur drei Wochen Zeit nach Eingang der Kündigung, um eine Kündigungs­schutzklage einzulegen. Diese Frist gilt auch, wenn Beschäftigte eigentlich auf eine Abfindung dringen wollen.

Wie man als Arbeit­nehmer einer krankheits­be­dingten Kündigung begegnen kann, sollte man mit einer Rechts­an­wältin oder einem Rechts­anwalt besprechen, die oder der auf Arbeitsrecht spezia­lisiert ist. Ein Rechts­beistand kann die verschiedenen Möglich­keiten aufzeigen und Beschäftigte im Falle des Falles in einer Kündigungs­schutzklage und vor einem Arbeits­gericht vertreten.

Lesen Sie in diesem Artikel alles über das Betriebliche Einglie­de­rungs­ma­nagement (BEM), das Arbeitgeber kranken Arbeit­nehmern unter bestimmten Bedingungen anbieten müssen.

Datum
Aktualisiert am
06.03.2019
Autor
ime,DAV
Bewertungen
91441
Themen
Arbeit Arbeit­nehmer Arbeits­un­fä­higkeit Krankheit Krankschreibung

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