Unternehmen bringt die flexible Beschäftigung von Zeit- und Leiharbeitern viele Vorteile, demnach boomt diese spezielle Beschäftigungsform. So können sie ihren Personalbedarf schnell an die Auftragslage anpassen. Für die Leiharbeitnehmer sieht es in der Regel etwas komplizierter aus. „Ob Lohn, Zufriedenheit, Beschäftigungssicherheit oder -dauer: Leiharbeiter schneiden in all diesen Bereichen schlechter ab als andere Arbeitnehmer“, kritisiert Toralf Pusch von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Wolfram Linke sieht flexible Beschäftigung hingegen als Chance – gerade für Menschen, die in der freien Wirtschaft keinen Job finden. Der Sprecher des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) glaubt, dass Arbeitnehmer die Zeitarbeit als Sprungbrett nutzen und sich in verschiedenen Bereichen ausprobieren können. „Da werden Naturtalente entdeckt und können dann Karriere machen.“ Die Zeitarbeit sei eine Art vorgeschaltete Probezeit und kann zu einer Festanstellung führen – das nennt sich Klebeeffekt. Einigen Studien zufolge bleiben zwischen 7 und 14 Prozent der Leiharbeiter kleben, die Branche selbst geht von rund 30 Prozent aus.
Urteil: Selbst verleihen ist nicht erlaubt
Der Geschäftsführer einer Zeitarbeitsfirma kann sich nicht selbst verleihen. Macht er es dennoch, um dadurch Regeln zu umgehen und der Arbeitgeber weiß davon, muss der Zeitarbeiter eine Festanstellung bekommen. Darauf weist die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin. Sie bezieht sich auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Az.: 1 Sa 439 b/14).
In dem verhandelten Fall war ein freiberuflicher Kameramann in erster Linie für eine Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts tätig. Dort wurden freie Mitarbeiter nach einer internen Vorgabe häufig nur an maximal 60 Tagen im Jahr eingesetzt. Der Mann wollte das umgehen. Auf den Hinweis eines Produktionsleiters hin gründete er eine Zeitarbeitsfirma. Er war der Geschäftsführer und verlieh sich selbst sowie zwei bis drei weitere Mitarbeiter. Überwiegend war er für eine zweitägliche regionale Nachrichtensendung des Senders tätig. 2014 berief sich der Mann darauf, dass er tatsächlich in Vollzeit und fest bei dem Sender als Kameramann arbeite. Er klagte auf Festanstellung und Gehaltszahlung.
Die Klage hatte Erfolg. Das Gericht stellte fest, dass der Mann einen Arbeitnehmerstatus habe. Das ergebe sich aus dem Umfang der Einsätze und daraus, dass er wenig Raum für eigene Tätigkeiten habe. Auch sei sein Einsatz auf Dauer angelegt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass er über eine Drittfirma verliehen worden sei. Die gesamte Vertragsgestaltung mit der Arbeitnehmerüberlassung sei auf eine Umgehung der Arbeitnehmerschutzvorschriften ausgelegt gewesen. Damit sei sie aber rechtswidrig. (dpa/red)
Arbeitsplatzunsicherheit als Gesundheitsrisiko
Für Pusch von der Hans-Böckler-Stiftung verschafft Leiharbeit etwa Hartz-IV-Empfängern eine verbesserte Position. Die Branche hat allerdings eine hohe Fluktuation. Die große Arbeitsplatzunsicherheit stresst und kann sich auf die Gesundheit auswirken.
Gerade beim Lohn müssen Leiharbeiter Abstriche machen. Durchschnittlich war ihr Gehalt im Jahr 2013 um 43 Prozent niedriger als das anderer sozialversicherungspflichtig Beschäftigter. Dabei gilt eigentlich das Prinzip: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. In der Praxis sieht das allerdings oft anders aus. Denn sobald ein wirksamer und einschlägiger Tarifvertrag vorliegt, gilt das, was darin vereinbart wurde. Diese Regelung nennt sich Tariföffnungsklausel.
Der Auskunftsanspruch kann zu einem höherem Gehalt führen
Wer also das Glück hat, bei einer Zeitarbeitsfirma ohne Tarifvertrag angestellt zu sein, kann den gleichen Lohn wie seine Kollegen im Entleihunternehmen verlangen. „Das ist aber oftmals schwer, weil man ja gar nicht weiß, was die bekommen“, sagt der Arbeitsrechtler Matthias Reichwald. Wer vermutet, dass sie mehr Gehalt bekommen, dem hilft das Gesetz. Es gibt einen Auskunftsanspruch – der Arbeitnehmer hat ein Recht darauf, das Gehaltsniveau im Entleihunternehmen zu kennen. „Das sollte man notfalls einklagen“, rät Reichwald, Mitglied im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Wie viel Geld Zeitarbeiter in den Zeiten verdienen, in denen sie nicht in einer Entleihfirma arbeiten, muss im Arbeitsvertrag mit der Verleihfirma stehen. Dort sind sie weiterhin angestellt, sie ist der Arbeitgeber - auch wenn es gerade keine Aufträge gibt.
Das Gehalt kann niedriger sein, darf aber nicht weniger sein als die derzeit in der Leiharbeit geltenden Untergrenzen von 8,80 Euro im Westen und 8,20 Euro im Osten. Mit der Verleihfirma entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dieser wiederum muss Sozialversicherungsbeiträge abführen und im Krankheitsfall den Lohn zahlen. Und es gelten hier die gesetzlichen Kündigungsfristen.
Betriebsbedingte Kündigungen gehen meist zu Lasten von Leiharbeitern
Drohen im Entleihunternehmen betriebsbedingte Kündigungen, ist das in der Regel schlecht für Leiharbeiter. Denn das Unternehmen baut zunächst vergleichbare Leiharbeiter ab.
„Wenn man feststellen kann, dass ein Leiharbeiter auf einer vergleichbaren Position arbeitet wie ein Festangestellter, kann das Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen vermeiden, indem es Leiharbeiter reduziert“, erklärt Rechtsanwalt Reichwald. Andernfalls könnten entlassene Stammmitarbeiter gegen die Kündigung klagen.
Im Prinzip kann die Entleihfirma aber jederzeit zum Zeitarbeitsunternehmen sagen: Schick mir bitte einen anderen Mitarbeiter. Und das ist genau der Grund, warum viele Unternehmen von flexibler Beschäftigung Gebrauch machen.
Leiharbeiter haben auch Rechte
Doch Leiharbeiter haben im Entleihunternehmen auch Rechte. So dürfen sie etwa an Betriebsversammlungen teilnehmen, Sprechstunden aufsuchen und – wenn die Überlassung länger als drei Monate vorgesehen ist – schon ab dem ersten Tag in der Firma den Betriebsrat wählen. Allerdings können sie dort selbst keine Betriebsräte sein.
Gibt es im Verleihunternehmen, also dem eigentlichen Arbeitgeber des Leiharbeiters, einen Betriebsrat, können sie sich dort in den Betriebsrat wählen lassen. Auch wenn sie gerade bei einer Entleihfirma beschäftigt sind, dürfen sie wichtige Termine und Tätigkeiten des Betriebsrates weiterhin ausüben. «Allerdings sollten sie dann rechtzeitig Bescheid sagen, falls sie deswegen während der Arbeitszeit fehlen», rät Anwalt Klinke.
Endet das Arbeitsverhältnis mit der Entleihfirma, kann der Zeitarbeiter ein Arbeitszeugnis einfordern. Allerdings ist nur der Arbeitgeber - also die Zeitarbeitsfirma - verpflichtet, ein solches Zeugnis auszustellen. „Und die wissen ja gar nichts von der Arbeit des Leiharbeiters“, so Reichwald. Deshalb müssen sie die entsprechenden Informationen beim Entleihunternehmen einholen - das hat Mitwirkungspflichten und muss Auskunft geben.
- Datum
- Aktualisiert am
- 14.11.2016
- Autor
- dpa/tmd