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Blitzer-Marathon: Wie man um die Strafe herum kommt

Viele, viele Blitzer werden am kommenden Donnerstag die Straße säumen. Gegen das Geblitze lässt sich aber vorgehen. © Quelle: Grundmann/fotolia.com

Einmal im Jahr findet der Blitzer-Marathon statt. In mehreren Bundes­ländern ist die Polizei dann in einer Großaktion auf der Suche nach Temposündern. Auch außerhalb des "Marathons" blitzt es auf vielen deutschen Straßen. Wer als Autofahrer erwischt wird, muss aber nicht zwingend einen Anstieg in seinem Punktekonto hinnehmen. Lesen Sie hier, wie Sie eine Strafe womöglich abwenden können.

Für jene, die zu schnell unterwegs waren und erwischt wurden, gibt es gute Nachrichten: Gegen eine Tempo-Strafe kann man vorzugehen. Dabei sind Autofahrer auf anwaltliche Unterstützung angewiesen, da nur Anwälte Zugang zu der Ermitt­lungsakte erhalten und diese auf Fehler prüfen können. Klar ist aber auch: Wer nachge­wiesen zu schnell fährt und erwischt wird, muss mit den Konsequenzen leben.

Geblitzt? Erster Schritt: Schweigen

Bevor ein Bußgeld­ver­fahren eingeleitet wird, muss die Bußgeld­stelle zunächst den Fahrer ermitteln. Dazu verschickt sie einen Anhörungsbogen, auf dem man sich zu den Vorwürfen äußern kann. „Man sollte keine Angaben zur Sache machen. Wenn man sich wehren will, sollte man alle Details und das weitere Vorgehen mit einem Anwalt besprechen“, sagt Rechts­an­wältin Dr. Daniela Mielchen von der Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV). Beim Vorgehen gegen Bußgeld und Punkte, nachdem man geblitzt wurde, gibt es verschiedene Ansatz­punkte:

Verjährung: Bußgeld­be­scheid erledigt sich von selbst

Eine entscheidende Rolle im Bußgeld­ver­fahren spielt die Verjäh­rungsfrist. Sie beträgt bei Ordnungs­wid­rig­keiten drei Monate ab der Tat. In dieser Zeit müssen die Behörden den Fahrer ermittelt und einen Bußgeld­be­scheid erlassen haben.

Die Verjäh­rungsfrist kann durch eine Anhörung unterbrochen werden – von diesem Zeitpunkt an beträgt sie dann erneut drei Monate. Diese Unterbrechung darf aber nur einmal erfolgen. In der Regel geschieht das mit der Zustellung des Anhörungs­bogens. Allerdings bewirkt auch eine Anhörung durch die Polizei eine Unterbrechung. Das heißt: Wenn vermeintliche Temposünder direkt nach der Geschwin­dig­keits­über­schreitung angehalten werden, kann sich daraus ein entschei­dender Vorteil ergeben.

„Häufig prüfen die Bußgeld­be­hörden nicht, ob die Polizei den Autofahrer schon angehört hat“, sagt Verkehrs­rechts­expertin Mielchen. „Die Behörde geht dann fälsch­licher Weise davon aus, dass mit der Zusendung des Anhörungs­bogens die Frist erneut läuft und lässt sich zu viel Zeit“, so Mielchen. Die Verjäh­rungsfrist läuft dann ab, bevor die Behörde zu Ende ermittelt hat: Das Problem des Temposünders erledigt sich quasi von selbst.

Beweisfoto: Kein Bußgeld, wenn Fahrer nicht erkennbar ist

Eine weitere Hürde für die Behörde ist die eindeutige Identi­fi­zierung des Fahrers. Hier ist das Blitzerfoto entscheidend. Um den Fahrer auf dem Foto zu identi­fi­zieren, dürfen die Ermitt­lungs­be­hörden auch Profil­bilder in sozialen Netzwerken prüfen oder den möglichen Fahrer zu Hause besuchen. Allerdings ist eine eindeutige Identi­fi­zierung, die auch vor Gericht bestand hat, gar nicht so einfach.

„Es gibt Fälle, in denen ein Gutachten vor Gericht die Identität der Person auf dem Foto in Frage stellt, obwohl jeder normale Mensch sagen würde: Das ist er“, sagt Rechts­an­wältin Dr. Daniela Mielchen vom DAV. Um ein Foto zweifelsfrei einer Person zuordnen zu können, müsse eine Vielzahl von biometrischen Merkmalen auf dem Bild identi­fi­zierbar sein.

„Die Qualität der Fotos erfüllt aber oft nicht die Erfordernisse, die vor Gericht an ein beweis­kräftiges Foto gestellt werden“, so Mielchen. Ist das Gesicht des Fahrers beispielsweise durch dessen Hand oder eine Sonnen­blende teilweise verdeckt, lässt sich Temposünder nicht identi­fi­zieren. Bußgeld und Punkte können dann nicht verlangt werden.

Fahrer nicht zu identi­fi­zieren: Fahrten­buch­auflage

Sollte der Fahrer nicht zweifelsfrei zu identi­fi­zieren sein, kann die Verwal­tungs­behörde zu einem anderen Mittel greifen, um zumindest für die Zukunft Unklar­heiten auszuräumen: die Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen. Eine solche Fahrten­buch­auflage gilt nicht als Strafe, sondern als vorbeugende Maßnahme, um sicher­zu­stellen, etwaige Verstöße in Zukunft effektiv zu ahnden.

Die Dauer der Fahrten­buch­führung variiert, beträgt in der Regel aber höchstens ein Jahr. Bei kleineren Verstößen gegen die Höchst­ge­schwin­digkeit muss meist ein halbes Jahr ein solcher Fahrer­nachweis geführt werden. Da die Rechtslage derzeit noch recht unüber­sichtlich ist, kann es sich lohnen, die Anordnung durch einen Verkehrs­rechts­anwalt überprüfen zu lassen.

Private Blitzer bergen hohes Fehler­po­tenzial

Für Geschwin­dig­keits­kon­trollen sind grundsätzlich Polizei sowie Städte und Kommunen zuständig. Der Staat hat jedoch die Möglichkeit, Privat­firmen an der Verkehrsüberwachung zu beteiligen. Wegen personeller Engpässe in der Verwaltung nehmen immer häufiger private Dienst­leister die Messung vor. Das Gesetz verlangt aber eindeutig, dass die Verwal­tungs­behörde jederzeit „Herrin des Verfahrens“ ist – der Staat also bestimmen muss, wann, wie und wo die Überwachung erfolgt. Der private Dienst­leister darf zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf diese Entschei­dungen nehmen.

Die Daten sind vor Gericht jedoch nur begrenzt verwertbar. Hinzu kommt, dass fehlerhafte Messungen keine Seltenheit sind. Zwar müssen alle eingesetzten Messgeräte amtlich zugelassen und geeicht sein, dennoch kommt es beispielsweise vor, dass sich Fehler im Messpro­tokoll einschleichen oder der Toleranzabzug zu gering war. Es kann also sein, dass die Messergebnisse aus einem dieser Gründe gar nicht verwertbar sind. Die Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des DAV empfiehlt, bei einem Bußgeld­be­scheid einen Verkehrs­anwalt heranzu­ziehen.

Messfehler prüfen: Tempoverstoß kann angezweifelt werden

Lässt das Blitzerfoto keine Zweifel an der Identität des Fahrers zu und dieser beharrt, nicht zu schnell unterwegs gewesen zu sein, lohnt ein Blick auf die Technik. „Viele Blitzvorgänge weisen Messfehler auf und ihre Ergebnisse sind damit angreifbar“, sagt die Verkehrs­rechtlerin Dr. Mielchen.

Ein Vorteil für den Beschul­digten ist, dass viele Hersteller moderner Blitzanlagen den technischen Sachver­ständigen genauere Angaben verweigern, weil sie ihr Geschäfts­ge­heimnis wahren wollen. Immer wieder kommt es deshalb zu Gerichts­ur­teilen, die eine Verwert­barkeit solcher Messergebnisse in Frage stellen.

Über die einwandfreie Funktion der Anlage hinaus gelten für eine gültige Messung weitere Kriterien: So darf die Anlage zum Beispiel nur von spezielle geschulten Beamten bedient werden und muss geeicht sein. Fehlen in den Unterlagen entspre­chende Nachweise, kann das Messer­er­gebnis und damit der Tempoverstoß angezweifelt werden.

Besondere Umstände: Fahrer kann um Strafe herumkommen

Die Ahndung von Ordnungs­wid­rig­keiten nach dem Bußgeld­katalog geht immer von einer fahrlässigen Begehung und „gewöhn­lichen Tatumständen“ aus. Es kann aber durchaus Bedingungen geben, die den Fahrer entschuldigen. Zum Beispiel, wenn man auf der Autobahn einem plötzlich aussche­renden Fahrzeug ausweichen muss und deshalb eine Geschwin­dig­keits­be­grenzung übersieht. „Besondere Umstände können vor Gericht durchaus dazu führen, dass man an den Punkten in Flensburg vorbeikommt“, sagt Dr. Daniela Mielchen.

Geblitzt: Was bringen Online-Portale?

Wer einen Bußgeld­be­scheid erhalten hat und im Internet Hilfe sucht, stößt auf zahlreiche Online-Portale zum Thema. Sie versprechen, den Bußgeld­be­scheid zu prüfen und gegebe­nenfalls dagegen vorzugehen – angeblich unkompliziert und für den Kunden kostenlos.

Doch für Autofahrer sind die Anbieter nicht in jedem Fall die beste Wahl. Wann sie besser zu Anwältinnen und Anwälten gehen und was diese für geblitzte Verkehrs­teil­nehmer tun können, sehen Sie in unserem Film.

Übersicht: Wie Sie als Fahrer nach einem Blitzerfoto vorgehen sollten

  • Wenn Sie von der Polizei angehalten werden, nachdem Sie geblitzt wurden: Berufen Sie sich auf Ihr Recht zu Schweigen und machen Sie keine Angaben zu der Geschwindigkeitsüberschreitung. Äußern Sie auch keine Entschuldigungen wie „Ich hatte es eilig“.
  • Wenn Sie den Anhörungsbogen per Post erhalten: Machen Sie auch hier keine Angaben. Wenn der Bogen an Sie adressiert ist, können Sie davon ausgehen, dass der Behörde ihre persönlichen Daten bereits vorliegen. Sie brauchen den Bogen also gar nicht zurück zu schicken.
  • Überprüfen Sie, wie hoch die Geschwindigkeitsüberschreitung ist, die man Ihnen zur Last legt. Nach dem neuen Punktesystem kann Ihnen schneller als bisher der Entzug des Führerscheins drohen. Hier können sie nachschauen, welche Strafe Ihnen droht. Überprüfen Sie, welche Konsequenzen zusätzliche Punkte oder ein vorübergehendes Fahrverbot für Sie hätten. Den aktuellen Stand ihres Punktekontos können Sie beim Kraftfahrt­bun­desamt in Erfahrung bringen.
  • Vor allem, wenn Sie beruflich auf Ihren Führerschein angewiesen sind, können sich rechtliche Maßnahmen lohnen. Sprechen Sie mit einem Anwalt oder einer Anwältin, um Ihre Erfolgsaussichten zu erläutern. Wenn Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen: Prüfen Sie, ob Ihre Kosten übernommen werden.

Mit der App des Deutschen Anwalt­vereins können Sie direkt Ihr Bußgeld ermitteln. Hier können Sie diese für Ihr IPhone herunterladen, hier für Ihr Android-Gerät.

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Datum
Aktualisiert am
27.08.2019
Autor
pst/ndm/red
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52202 2
Themen
Anwalt Auto Bußgeld

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