Der Fall: Die junge Frau wurde als Minderjährige von ihrem Stiefvater adoptiert und seit ihrem sechsten Lebensjahr über einen Zeitraum von elf Jahren schwer sexuell missbraucht (bis der Vater festgenommen wurde – er wurde zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt). Die junge Frau befindet sich in ständiger psychiatrischer Behandlung und unternahm bereits einen Selbstmordversuch. Sie beantragte vor dem Amtsgericht Offenburg die Aufhebung der Adoption. Das Amtsgericht lehnte den Antrag ab, die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe genau so zurück wie der BGH in letzter Instanz die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde.
Wie kann das sein?
Eine Aufhebung der Adoption gemäß § 1763 Abs. 1 BGB von Amts wegen aus Kindeswohlgründen scheidet aus, weil diese Norm nur anwendbar ist, solange das Kind minderjährig ist, um zu ermöglichen, dass sich ein Kind in einer neuen Familie oder der leiblichen Familie aufwachsen kann, eine Kettenadoption soll dadurch verhindert werden.
§ 1771 Satz 1 BGB, der es ermöglicht, eine Volljährigenadoption aus wichtigem Grund aufzuheben, scheidet aus, weil dieser nur gilt, wenn ein Volljähriger adoptiert wurde. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe und des BGH komme selbst in krassesten Fällen materiellen Unrechts eine entsprechende Anwendung dieser Norm für den vorliegenden Fall nicht in Frage, da keine „planwidrige Gesetzeslücke“ vorhanden sei, d. h., der Gesetzgeber hat diesen Fall bewusst nicht geregelt, sodass eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht in Betracht komme. Das Adoptionsrecht sei mehrfach novelliert worden, dabei wurde ausdrücklich keine rechtliche Möglichkeit zur Aufhebung einer Minderjährigenadoption nach Volljährigkeit des Kindes eröffnet. Jeder Überlegung, das angenommene Kind sei nicht das eigene Kind, sollte jeder Boden entzogen werden. Der BGH sieht auch keine Verfassungswidrigkeit der Gesetzeslage.
Fazit?
Die Gerichte haben also „richtig“ entschieden, d. h. nach geltender Gesetzeslage. Kann man aber verstehen, dass die junge Frau nach ihrem unvorstellbaren Martyrium unumstößlich die Tochter ihres Peinigers bleiben muss? Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hier Abhilfe zu schaffen.
Viola Lachenmann ist Fachanwältin für Familienrecht und berät zudem als Fachanwältin für IT-Recht im Internetrecht, Softwarerecht, Urheberrecht und Datenschutzrecht. Sie betreibt einen eigenen Blog, der unter www.kanzlei-lachenmann.de/blog aufzurufen ist. Für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Frau Lachenmann regelmäßig zum Thema Familienrecht.