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Racial Profiling

DAV: Polizei­kon­trollen wegen Hautfarbe abschaffen

Im Jahr 2012 hat die Polizei mehr als eine halbe Million Mal „verdachtsunabhängig" kontrolliert. © Quelle: Schwarz/ corbisimages.com

Es ist Alltag auf Bahnhöfen und Flughäfen: Bundes­po­li­zisten kontrol­lieren die Ausweise von Reisenden. Sie brauchen dafür keinen konkreten Verdacht auf eine Straftat. Aber die Praxis ist umstritten. Organi­sa­tionen wie der Deutsche Anwalt­verein (DAV) wollen sie verbieten und verlangen eine Gesetzes­än­derung.

Kassel im Dezember 2010. Über die Gleise des Hauptbahnhofs fegt ein eisiger Wind. Als der Regional­express nach Frankfurt am Main einfährt, drängen die Menschen schnell in die Abteile. Darunter ist auch ein junger, dunkel­häutiger Mann. Er studiert in Kassel und will an diesem Tag seine Eltern besuchen. Nach einer Weile sprechen ihn zwei Bundes­po­li­zisten an und wollen seinen Ausweis sehen. Er weigert sich, protestiert. Sie greifen sich seinen Rucksack und durchwühlen ihn. Als sie keinen Ausweis finden, bringen sie den Studenten zu ihrer Dienst­stelle.

Solche Kontrollen heißen in der Fachsprache der Polizei „verdachts­un­ab­hängige Personen­kon­trollen“. Sie sind in Paragraph 22 Absatz 1a des Bundes­po­li­zei­ge­setzes geregelt. Dieser Absatz bedeutet im Klartext: Polizisten dürfen in Zügen, auf Bahnhöfen, Flughäfen und im Grenzgebiet die Identität jedes Menschen feststellen und seinen Ausweis prüfen. Einen konkreten Verdacht auf eine Straftat brauchen sie dafür nicht. Laut Polizei­gesetz sollen die Beamten mit dieser Praxis verhindern, dass Menschen illegal nach Deutschland einreisen.

Pauschaler Verdacht?

2012 gab es nach Angaben der Bundes­re­gierung 570.000 solcher Kontrollen. Theoretisch können sie jeden treffen. Im Alltag aber verlangen Polizisten vor allem die Ausweise von Menschen mit dunkler Haut und „auslän­dischem“ Aussehen. Das meinen jedenfalls Migranten. „Wir bekommen sehr viele Beschwerden von schwarzen Menschen, die solche Kontrollen erlebt haben“, berichtet Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD). Die Betroffenen würden durch die Kontrollen unter einen General­verdacht gestellt und diskri­miniert.

So fühlte sich auch der Student aus Kassel. Er zog deshalb vor das Verwal­tungs­gericht Koblenz. Vor Gericht gab einer der beiden Bundes­po­li­zisten zu, ihn wegen seiner dunklen Haut kontrolliert zu haben. Doch das fand das Verwal­tungs­gericht legitim und wies die Klage ab (Az.: 5 K 1026/11.KO). Erst die nächste Instanz sah im Verhalten der Polizisten einen Verstoß gegen das Diskri­mi­nie­rungs­verbot im Grundgesetz und zwang die Beamten, sich bei dem jungen Mann zu entschuldigen (Az.: 7 A 10532/12.OVG). 

Migranten wehren sich

Was ihm im Regional­express nach Frankfurt passiert ist, nennen Organi­sa­tionen wie die ISD „Racial Profiling“. Der Begriff stammt aus der US-amerika­nischen Krimina­listik und meint: Behörden definieren Menschen allein wegen ihrer Herkunft oder ihres Aussehens als verdächtig und überwachen sie.

Dagegen wehren sich Migranten etwa in Deutschland seit langem mit Kampagnen wie „Stop Racial Profiling“ und Petitionen. In ihnen fordern sie die Politik auf, das Bundes­po­li­zei­gesetz zu ändern und so die Legiti­mation „verdachts­un­ab­hängiger Personen­kon­trollen“ abzuschaffen.

Verstoß gegen Grundgesetz

Dieser Forderung schließt sich auch der Deutsche Anwalt­verein (DAV) an. „In der Praxis kollidieren die Kontrollen mit dem Grundgesetz“, sagt Rechts­anwalt Dr. Stefan König vom Ausschuss für Strafrecht im DAV. „Die weitrei­chenden Eingriffs­be­fugnisse der Polizei führen zu rassis­tischer Diskri­mi­nierung, die das Grundgesetz verbietet. Außerdem widersprechen sie dem informellen Selbst­be­stim­mungsrecht des Menschen.“

Wegen dieser massiven Kritik hat sich der DAV dem Appell des Deutschen Instituts für Menschen­rechte angeschlossen. In ihm fordert das Institut die künftigen Regierungs­parteien auf,  in ihren Koaliti­ons­vertrag aufzunehmen, den viel  kritisierten Passus im Bundes­po­li­zei­gesetz abzuschaffen. „Die neue Regierung sollte durch eine Streichung dieser Regelungen sicher­stellen, dass die Polizei nicht weiterhin Menschen aufgrund unverän­der­licher Merkmale wie Hautfarbe überprüft", sagt Beate Rudolf, die Direktorin des Instituts für Menschen­rechte.

Datum
Aktualisiert am
27.06.2014
Autor
ime
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Themen
Polizei

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