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Gerichts­ent­scheidung

Hinzunehmende Formulie­rungen in Arbeits­zeug­nissen

Oft der letzte Kontakt mit dem Arbeitgeber: das Arbeitszeugnis. Doch müssen beide Seite bestimmte Dinge beachten. © Quelle: DAV

Das Bundes­ar­beits­gericht hat heute entschieden: Arbeit­nehmer müssen weiterhin Beweise anführen, wenn sie eine bessere Durchschnittsnote als eine 3 in ihrem Arbeits­zeugnis bescheinigt haben wollen. Hier lesen Sie alles zum Urteil und dazu, welche Formulie­rungen und Beurtei­lungen in einem qualifi­zierten Arbeits­zeugnis erlaubt sind.

Es hätte eine Entscheidung mit erheblichen Auswir­kungen in der Praxis sein können – doch die Erfurter Arbeits­rechtler enttäuschten die Hoffnungen vieler Arbeit­nehmer. Entgegen der Entschei­dungen der Vorinstanzen, entschieden die obersten Arbeits­richter, dass die Leistungs­be­wertung „zur vollen Zufrie­denheit“ auch weiterhin als Richtwert in Arbeits­zeug­nissen dient (AZ.: 9 AZR 584/13).

Geklagt hat eine ehemalige Bürofachkraft in einer Zahnarzt­praxis. In ihrem Arbeits­zeugnis steht die Formulierung „zu unserer vollen Zufrie­denheit“. Sie forderte daraufhin den Zusatz „stets“, da sie eine überdurch­schnittliche Arbeits­leistung erbracht habe. Dies sah ihr Arbeitgeber anders, der ihr „zahlreiche Fehlleis­tungen“ vorwirft.

Durchschnittiche Bewertungen in Arbeits­zeug­nissen weiterhin als Richtwert

So Streitig­keiten rund um Arbeits­zeugnisse Gegenstand von Gerichts­ent­schei­dungen sind, geht es häufig um die Formulie­rungen und die Schwie­rigkeit des Nachweises guter oder ungenü­gender Arbeit. Dr. Nathalie Oberthür von der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) erklärt die Problematik: „Durch das heutige Urteil nimmt die Rechtsprechung auch weiterhin an, dass ein Arbeit­nehmer ein durchschnitt­liches Zeugnis verlangen kann.“ Will er eine bessere Beurteilung, müsse er seine Leistung beweisen.

Im umgekehrten Fall gelte: „So Vorgesetzte ein schlechteres Zeugnis ausstellen, müssen sie das ihrerseits begründen“, sagt die Arbeits­rechts­expertin. Allerdings gilt generell: Ausgewiesen negative Formulie­rungen dürfen nicht darin stehen. Arbeits­zeugnisse sollen das berufliche Fortkommen nicht erschweren. Daher gibt es oft verklau­su­lierte Begriffe, die Minder­leistung beschreiben.

Arbeits­zeugnis: Lügen kann teuer werden

Selbst­ständige sollten bei Arbeits­zeug­nissen keine unwahren Tatsachen­be­haup­tungen über ihre Mitarbeiter aussprechen. Sie machen sich sonst gegebe­nenfalls gegenüber dem neuen Arbeitgeber des Mitarbeiters schaden­er­satz­pflichtig. Darauf weist Alexander Bredereck hin, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Das kann zum Beispiel sein, dass im Arbeits­zeugnis wahrheits­widrig steht, ein Mitarbeiter habe jahrelang an einer neuen, speziellen Maschine gearbeitet. Beim neuen Arbeitgeber wird er dann an eben jener Maschine eingesetzt – und macht sie kaputt. In dem Fall könnte der neue Arbeitgeber vom alten Arbeitgeber Schaden­ersatz verlangen (dpa/tmn).

Klage auf Zeugnis­be­rich­tigung durch den Arbeit­nehmer kann sich lohnen

In der Praxis lassen sich solche Nachweise allerdings so gut wie nie führen. Dennoch lohnt sich oft eine Klage auf Zeugnis­be­rich­tigung, da kein Arbeitgeber Lust auf ein Verfahren hat und daher häufig einver­nehmlich ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden kann.

Wer einen Rechts­streit vermeiden möchte, sollte schon vor der Kündigung an das Arbeits­zeugnis denken. DAV-Expertin Oberthür: „Es empfiehlt sich, bereits bei den Verhand­lungen über den Aufhebungs­vertrag den genauen Inhalt des Zeugnisses festzulegen“.

Arbeit­nehmer haben ein Recht auf ein qualifi­ziertes Arbeits­zeugnis

Dass der Klägerin überhaupt ein Zeugnis zusteht, war nicht Teil des Verfahrens vor dem Bundes­ar­beits­gericht – denn hier ist die Rechtslage eindeutig. „Arbeit­nehmer in Deutschland haben grundsätzlich das Recht auf ein qualifi­ziertes Arbeits­zeugnis, festgelegt ist das in der Gewerbe­ordnung“, sagt Dr. Nathalie Oberthür.

Somit können Arbeit­nehmer darauf pochen, dass nicht nur der Tätigkeits­bereich dargestellt wird, sondern ebenfalls eine Bewertung von Leistung und persön­licher Führung Eingang in das Zeugnis findet – wie im verhan­delten Fall ja grundsätzlich auch geschehen.

Frist für Arbeits­zeugnisse: Rechte der Arbeit­nehmer

Andernfalls nämlich kann es passieren, dass es eine ganze Weile dauert, ehe das Zeugnis im Briefkasten auftaucht. Denn eine feste Frist gibt es nicht. Weigert sich der vorige Arbeitgeber aber standhaft, das Zeugnis auszustellen, sollte der betroffene Arbeit­nehmer auch in diesem Fall über eine Klage nachdenken.

Warum Vorgesetzte schlechte Arbeits­zeugnisse schreiben

Bleibt die Frage, warum Vorgesetzte überhaupt schlechte Zeugnisse ausstellen – letztlich erschwert er es seinem ehemaligen Angestellten ja womöglich dadurch, einen neuen Job zu finden. Neben persön­lichen Animositäten und Emotionen nach einem Kündigungs­schutz­ver­fahren, können auch rechtliche Erwägungen hier hinein­spielen, weiß Rechts­an­wältin Oberthür: „Theoretisch machen sich Arbeitgeber schaden­er­satz­pflichtig, wenn sie ein unwahres Zeugnis ausstellen und ein folgender Arbeitgeber sich darauf verlässt.“ Praktisch sei dieses Problem allerdings nicht relevant, da in den allermeisten Fällen eine Leistungs­be­wertung so subjektiv sei, dass man kaum je nachweisen könne, dass ein Zeugnis bewusst unzutreffend gehalten worden sein.

Doch noch ein dritter Grund kann zu einer schlechten Beurteilung führen. Wer einem objektive wirklich schlechtem Arbeitgeber eine gute Bewertung ins Zeugnis schreibt, muss auch damit rechnen, dass er bei Wettbe­werbern als unfähig oder unglaub­würdig dasteht.

Datum
Aktualisiert am
14.03.2017
Autor
ndm
Bewertungen
2625
Themen
Arbeit­nehmer Arbeitsplatz Arbeits­zeugnis Gericht Kündigung

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